Wie hältst Du’s mit den Sanktionen?


Anfrage an Blog Samstagern: Trifft es zu, dass Russland infolge der EU-Sanktionen für geringere Erdgasexporte mehr Geld einnimmt? (Rasmus P. Linser)

Antwort: Im Prinzip ja, aber wir glauben fest an Symbolpolitik.

Exegese

Ein Witz sollte keiner Erklärung bedürfen. Leider ist das keiner. Eine Grafik auf Statista zeigt die kumulativen Gasexporte Russlands seit Beginn der Jahre 2021 und 2021. Auf tradingeconomics.com kann man die Entwicklung des Gaspreises verfolgen. Man kann argumentieren, dass der Gaspreis schon vor Kriegsbeginn anstieg und dass der Krieg zunächst trotz des geringeren Bedarfs der Hauptabnehmer im Frühjahr und Sommer den Preis höher gehalten hätte als etwa 2020. Die entsprechende Grafik für Rohöl bestätigt allerdings die Erwartung, dass es infolge des Kriegs zu einem Anstieg der Energieträgerpreise gekommen ist. Durch die EU-Sanktionen wurde eine Umstellung der Handelsströme erzwungen und es kam zu einer Verknappung des Angebots. Das dürfte einen erheblichen Beitrag zur Preisentwicklung geleistet haben. Die russischen Rohölexporte per Schiff liegen 2022 höher als 2021. Insgesamt liegen die geschätzten Einnahmen Russlands aus dem Export fossiler Energieträger seit Kriegsbeginn etwas höher als im Januar und Februar. Sie dürften angesichts der Preisentwicklung bei Erdgas deutlich höher liegen als im Vorjahr. Dass diese Politik zu erheblichen Kosten im Westen geführt hat, kann nicht bestritten werden. Wirtschaftlich und finanziell hat man sich hier also selbst Schaden zugefügt, ohne Schaden beim Gegner zu erzeugen. Diese Entwicklung war absehbar, als die EU ihre Sanktionspolitik bei Energieträgern in Gang setzte.

Warum ist es dann dazu gekommen? Die westliche Politik ist seit Jahren in vieler Hinsicht Symbolpolitik. Das betrifft Gebiete wie Gender Mainstreaming, die Förderung von Einwanderern nur in öffentlich herausgehobenen Stellungen aber nicht insgesamt, einige Aspekte des Übergangs zu erneuerbaren Energien und die Außenpolitik fast durchgehend. Das Denken in Symbolpolitik ist inzwischen in der politischen Klasse tief verwurzelt und wird nicht reflektiert. Fehlentscheidungen, auch in Fragen von großer Bedeutung, sind so vorprogrammiert.


24 Antworten zu “Wie hältst Du’s mit den Sanktionen?”

  1. Der Krieg, besser gesagt, die Sanktionen sind sicher der Haupttreiber. Ein Preisanstieg seit Jahren erfolgte schon davor. Der ist durch die fehlerhafte Energiewende und Spekulation entstanden.
    Davon wird gerne abgelenkt, wie zum Beispiel bei Nahrungsmitteln. Unterernährung und Hungertote werden zur Zeit gerne in Verbindung mit dem Krieg angeführt. Da würde ich gerne anmerken, das gab es vor dem Krieg zuhauf und gegen die Spekulation mit Lebensmitteln hatte man im Westen oder hier nichts einzuwenden.
    Es ist äußerst perfide so zu tun, als ob dieser menschenverachtende Zustand nicht auch vorher bestand und Hunderttausende jedes Jahr daran starben. Teilweise hat man viele Tonnen Getreide vernichtet um den Preis zu halten. Skrupel war nicht zu erkennen. Gleiches bei Handelsverträgen, Im-/Exportbeschränkungen. Es gibt und gab viele Interessen, die der Unterernährten gehören nicht dazu. Nun auf einmal entdeckt man sein Gewissen und sorgt sich um die ärmsten Länder. Wer hier Glaubwürdigkeit findet, muß sich die Frage stellen, ob diese nur durch Autosuggestion zustande kam.

    • Zur Lebensmittelkrise hat aus meiner Sicht auch die Corona-Politik beigetragen, auch wenn Sie das vermutlich nicht so gern lesen mögen.

      Die fehlenden ukrainischen Getreideexporte sind tatsächlich nur ein kleiner Beitrag zu einem Problem, das bereits existierte, andere Ursachen hatte und das seinerseits auch durch Sanktionen gegen Russland verschärft wurde.

      Dennoch war das Abkommen über ukrainische Getreideexporte per Schiff von Odessa gut. Dass massive Angriffe auf die russische Schwarzmeerflotte dem Bestand des Abkommens nicht förderlich sein würden, hätte die ukrainische Seite allerdings auch vorhersehen können. Mir scheint es in der ukrainischen Regierung ein Haltung zu geben, die einfach nur im Recht sein will, egal was die Kosten sind. Es ist aber nicht egal, was die Kosten sind.

  2. «Zur Lebensmittelkrise hat aus meiner Sicht auch die Corona-Politik beigetragen, auch wenn Sie das vermutlich nicht so gern lesen mögen.»
    Wie Sie darauf nur kommen? Ist durchaus möglich, nachdem die Maßnahmen natürlich ins nationale/internationale Geschehen eingreifen. Ich meine da nicht nur die deutschen Regelungen.
    Nachträglich kann man nun eine Bewertung anstreben, nur bleiben nach wie vor einige Unbekannte die sich nicht auflösen lassen. Was wäre wenn läßt sich nur beantworten, wenn man den Prozess nochmal durchlaufen lassen könnte.
    Das Abkommen sehe ich wie Sie positiv, leider erreicht man maximal den vorherigen Zustand damit. Das grundlegende Problem bleibt unangetastet. Daher nenne ich es scheinheilig, wenn man die Ernährungssituation nun mit dem Krieg verbindet als Anklage gegen Russland. Denn die, die dieses Argument benutzen meinen damit nicht die durch den Krieg verringerte Angebotsmenge, sondern man versucht ein Feindbild zu forcieren das nicht einschätzbare Folgen haben kann. Auch die Ukraine versucht fast täglich, diverse Probleme an den Angriff zu binden und spricht dazu auch verschiedene Staaten an um spezifische Ängste zu fördern.
    Nach dem Motto, die ganze Welt ist bedroht und das bei völlig verschiedenen Problemfeldern.
    Da die Vorgeschichte keine Rolle mehr spielt ist das relativ einfach, nur übertreibt man in einem Maße, daß es langsam zu auffällig wird.

    Irgendwann wird man mit Russland wieder reden müssen, das hat man scheinbar nicht mehr im Blick. Die Außenministerin scheint da schon mit ihrem Nachfolger zu planen, denn sie selbst wäre für dieses Ansinnen kaum noch einsetzbar.
    Während dieses Krieges haben wir so viele Werte und vermeintliche Werte über Bord geworfen, daß es große Auswirkungen auf zukünftige Konflikte haben wird. Auch wenn diese nur auf moralisch, ethischem Gebiet liegen würden.

  3. Ja, aber erst ganz hektisch, als sie zum Tragen gekommen wäre. Und das klagende Land hat ebenso eine Rolle gespielt. Wie wäre es ausgegangen, wenn es die britische Königin betroffen hätte?
    Die weitere Frage, was gibt es noch an landläufigen Regelungen die zum Einsatz kommen könnten?
    Es gibt neue Gesetze die man extrem weit auslegen könnte. Die mögliche Interpretation erfahren wir allerdings erst, wenn der entsprechende Fall eintritt.
    Das kann im journalistischen Bereich liegen, Äußerungen von Privatpersonen, im Bereich der Bildung/Lehrkräfte, bei Demonstrationen.

    • Das geht auch bis in den Handel hinein. Sanktionen wurden auch gegen Deutsche Firmen verhängt bzw angedroht. Manche Firma muß nun abschätzen, ob sein ziviles Produkt unter Sanktionen fallen könnte. Das ist für viele schlicht unmöglich, da zivile und militärisch Produkte nicht eindeutig zu trennen sind. Es gab auch mögliche Sanktionen gegen Catering Betriebe für die Verlegeschiffe der NS2. Ebenso Versorgungsschiffe, finanzierende Institute, Gerätelieferanten usw.
      Auch solche Regelungen sind relativ schwammig um sie bei Bedarf ausdehnen oder negieren zu können.
      Man erkennt auch leicht die Willkür wie Sanktionen angewendet werden. Je nach Land wird die Notwendigkeit völlig verschieden betrachtet. Das Kriterium, generell bei bestimmten Taten, gegen Diktaturen, bei gleichen Delikten ist nicht haltbar. Die Glaubwürdigkeit und Rechtstaatlichkeit wird dadurch stark beschädigt.

      • Sanktionen werden nur mit moralischen Argumenten begründet. Sie sind ein Mittel des Machtkampfes und mitunter sogar der wirtschaftlichen Auseinandersetzung unter formell verbündeten Staaten. In der Regel braucht man irgendeinen Anlass, mit dem man sie moralisch bemänteln kann.

        Umgekehrt ist es dann allerdings so, dass man in Zugzwang kommt, wenn es auf einmal einen viel stärkeren Grund gibt, als die Gründe mit denen man in der Vergangenheit Sanktionen begründet hat. Dann muss man, um die Glaubwürdigkeit nicht völlig zu verlieren, schärfere Sanktionen beschliessen, auch wenn sie der eigenen Seite mehr schaden als der anderen.

  4. Ich denke mal, dass der aussenpolitische Schaden groesser gewesen waere als die jetzige innenpolitische Misere, wenn Deutschland bzgl. der Russsland-Sanktionen nicht mitgezogen haette. Wir haengen nun mal in Buendnisssen drin, die wir in Folge der unruemlichen juengeren Geschichte uns selbst zuzuschreiben haben.

    • Durchaus möglich. Nur sollte man die Eskalation nicht auch noch in vorderster Linie fördern. Gut, wer weiß was im Hintergrund alles läuft, Druck ausgeübt wird, Verträge existieren.
      Es kann aber auch nicht der Weg sein, «wir haben Verpflichtungen usw» und verstecken uns dahinter. Dann muß man gleichzeitig einräumen, daß die vielzitierte Souveränität nur auf dem Papier existiert. Falls sie dort überhaupt existent ist, das ist nicht unbedingt der Fall.
      Vor dem Ukraine Krieg war eigentlich völlig klar, daß NATO Truppen/ US Basen auf ukrainischem Gebiet, eine Schließung des russischen Stützpunktes Sewastopol, zu einer Gegenreaktion führen werden. Man hat es in Kauf genommen, böse Zungen behaupten man hätte sie provoziert. Zumindest kann man fragen, weshalb war der westliche Vorstoß an die russische Grenze trotzdem notwendig? Was war das Ziel um dieses Risiko einzugehen? Wer war der Initiator, wer die Mitläufer?
      Leider spielen diese Fragen keine Rolle mehr, wobei das nicht unerwartet ist, denn bei vielen Auseinandersetzungen war das der Fall.

      • Tja, mit der Souveraenitaet Deutschlands ist es so eine Sache.
        https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/29084/von-der-beschraenkten-zur-vollen-souveraenitaet-deutschlands/

        Wieso gab es denn damals keine Sanktionen gegen die USA/ UK, wenn doch Gas-Gerd (und damit Deutschland) diesen Krieg verurteilte, und wir angeblich so ganz und gar nicht daran beteiligt waren?

        «Berlin – Schröders Rede zum Irak-Krieg wurde um 17.15 Uhr ausgestrahlt. Darin verurteilte der Kanzler den Krieg der USA und der Briten gegen den Irak. ‹Es ist eine falsche Entscheidung getroffen worden›, sagte er. Dennoch wolle er sich nicht an Schuldzuweisungen beteiligen. Es komme darauf an, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.»
        (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schroeder-rede-deutschland-beteiligt-sich-nicht-am-irak-krieg-a-241317.html)

        • Elegant drumherum laviert. Wir hatten zwar eine Meinung, aber möchten sie nicht äußern. Die Abhängigkeit wurde in der Rede von Schröder deutlich. Und als Ausgleich für die vermeintliche Nichtteilnahme hat man kräftig in die Tasche gegriffen. Also, unsere Tasche.
          Ob das noch als Nichtteilnahme durchgeht, kann jeder für sich selbst entscheiden.
          Es gab noch andere Gelegenheiten, Rückgrat zu zeigen. Aber man möchte natürlich auch einmal bei den siegreichen und gerechten Alliierten sein. Natürlich möglichst dem Führer nicht widersprechen und nicht zu viel bei der Angelegenheit abbekommen. Letzteres ist in diesem Fall leider nicht eingetroffen. Beim Durchhalten und der Inkaufnahme größerer Schäden zeigen wir diesmal Rückgrat.

    • Nicht einmal die Schweiz hat sich ja getraut, die westliche Sanktionspolitik zu ignorieren. Es geht da nicht nur darum, sich nicht dazu zur Verfügung zu stellen, Sanktionen zu umgehen, sondern es geht darum, dass die Schweiz trotz ihrer Neutralität aktiv an Sanktionen beteiligt ist.

      Ja, Deutschland hätte da nicht ohne grossen Schaden ausscheren können. Andererseits hat aber niemand deutsche Politiker gezwungen, so laut in dieses Horn zu stossen, wie sie es in der Oeffentlichkeit getan haben.

      Selbst wenn man sich einig ist, dass Russland Paroli geboten werden musste, ist ja immer noch die Frage, welche Mittel geeignet waren.

  5. Im aktuellen Fall scheint es mir so, als ob das Militär ein eklatantes Versagen der Politik auswetzen soll. Ich glaube nicht, daß das die Aufgabe des Militärs sein sollte. Damit ist es überfordert.
    Gut, das ist nichts Neues. Wenn man bedenkt, was erreicht werden kann oder wie die Konfrontation ausgeht, es werden mehr Probleme entstehen als welche gelöst werden könnten. Die Politik schiebt recht gerne die Verantwortung auf das Militär, wenn es schwierig wird. Nur kann das Militär keine politischen Probleme lösen. Man kann einen neuen Zustand erzwingen, meist ist dadurch aber das Grundproblem nicht behoben.
    Je größer die militärische Stärke, umsomehr und schneller stehlen sich die Politiker aus der Verantwortung.
    Die Ursache des Konfliktes war eine politische Entscheidung und nur dort hätte man eine Lösung versuchen müssen. Das war wohl nicht gewollt.
    Nun sind wir in der Situation, in der längerfristige Prognosen nicht mehr möglich sind. Außer, daß es eine Menge Verlierer geben wird.

        • Abgesehen davon, Moerder sind auch Menschen.

          Speziell hier in Deutschland wird ja niemand dazu gezwungen – auch nicht aus finanzieller Not.

          Und klar, es gibt auch Maenner und Frauen (wie irrational!), die denken, dass sie ihr Land bzw.die Menschenrechte verteidigen. Nennt man auch Gutmensch.

          «Er ist Teil von jener Kraft, der Stets das Gute will und oft das Boese schaft» (Anti-Mephisto sozusagen)

  6. «Schröder dürfte klar gewesen sein, dass er von Rechts wegen schon wegen des Kosovo-Kriegs für 10 Jahre hätte hinter Gittern landen müssen.»

    Nee. Ich glaube, dem war klar, dass das nicht passieren wuerde (Recht hin oder her).

    Das offizielle Nein im Vorfeld des Krieges war eher eine Gegenposition zu Angela Merkel, die sich ja klar fuer den Krieg entschieden hatte – um die Wahlen 2002 zu gewinnen. Hatte dann ja auch gerade so geklappt. (Unerwartet kam dann auch noch die «Jahrhundertflut» genau zum richtigen Zeitpunkt.)

Schreiben Sie einen Kommentar