MiniLove: Die Meinungsfreiheit lässt sich auch beschränken, indem Rechtsunsicherheit geschaffen wird.
Am 13. Oktober verwies der Deutsche Bundestag ohne Aussprache einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Zentralregistergesetzes zur weiteren Behandlung in den Rechtsausschuss (1. Lesung). Am 20. Oktober nahm der Bundestag das Gesetz mit großer Mehrheit an. Es war durch alle Parteien hinweg unkontrovers und kein Journalist hätte deshalb auch nur einen Buchstaben getippt. Als sich allerdings in der darauffolgenden Woche herumsprach klar wurde, was tatsächlich geschehen war, äußerte sogar der Deutschlandfunk Kritik, die F.A.Z. sprach von einem «absurden Gesetz» und die Neue Zürcher Zeitung widmete dem Vorfall einen Kommentar. Was war geschehen?
Was war geschehen? Am Besten sage ich das wohl mit den Worten der offiziellen Seite des Deutschen Bundestages: «Im parlamentarischen Verfahren wurde der Entwurf im federführenden Rechtsausschuss um eine sachfremde Änderung im Strafgesetzbuch ergänzt.» Diese sachfremde Änderung betrifft § 130 StGB, in dem es um Volksverhetzung geht und der bereits zuvor die Billigung, Leugnung und Verharmlosung von Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus unter Strafe stellte. Neu ist es nun auch strafbewehrt, «eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art… öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise [zu billigen, zu leugnen oder gröblich zu verharmlosen], die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt… aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.» Der volle Text der Änderung des StGB ist ebenfalls über die Bundestagsseite zugänglich. Die bezeichneten Paragraphen des Völkerstrafgesetzbuches betreffen Völkermord (§ 6), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7), Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8), Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9), Kriegsverbrechen gegen humanitäre Organisationen und Embleme (§ 10), Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung (§ 11) und Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung (§ 12). Um zu verstehen, warum respektable Medien darin ein Problem sehen, müssen wir die Details betrachten.
«Die EU verlangt das von uns»
Das ungewöhnliche Verfahren, eine Änderung des StGB ohne 1. Lesung und ohne Diskussion in der Öffentlichkeit mit einer Überrumpelungstaktik durch das Parlament zu bringen, begründen die Vertreter der Regierungsparteien im Rechtsausschuss mit Zeitnot. Die EU-Kommission habe ein Vertragsverletzungsverfahen gegen Deutschland in Gang gesetzt, weil dieses einen Rahmenbeschluss der EU nicht im nationalen Recht umgesetzt habe und nun sei Eile geboten.
Das Instrument des Rahmenbeschlusses zu Schaffung von EU-Recht existierte bis zum 30. November 2009. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde es kassiert, wobei bis dahin bereits gefasste Rahmenbeschlüsse aber gültig blieben. Zuvor wurden sie vom Rat der EU erlassen, einer Runde von aus den Mitgliedsländern entsandter Minister. Das EU-Parlament hatte dabei kein Mitspracherecht und war auch nicht befugt, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Rahmenbeschlüsse zu klagen. Hier geht es um den am 28. November 2008 erlassenen Rahmenbeschluss 2008/913/JI «zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit». Das von der auf diesem Gebiet sehr aktivistischen EU-Kommission reichlich 13 Jahre nach dem Erlass am 2. Dezember 2021 in Gang gesetzte Vertragsverletzungsverfahren rügte, dass in Deutschland im Rahmenbeschluss genannte Formen der Hassrede nicht unter Strafe gestellt seien (der Begriff Hassrede taucht im Rahmenbeschluss gar nicht auf). So sei «nach deutschen Recht das öffentliche Leugnen oder das gröbliche Verharmlosen [von Völkerrechtsverbrechen] nicht unter Strafe gestellt». Die EU-Kommission setzte am 2. Dezember 2021 eine Frist von zwei Monaten und betonte, sie habe in dieser Sache bereits gegen zehn Mitgliedsstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Wichtig ist noch, das Absatz 4 von Artikel 1 des Rahmenbeschlusses ausdrücklich einräumt, dass Mitgliedsstaaten frei darin sind, die Leugnung oder gröbliche Verharmlosung von Völkermord und Kriegsverbrechen nur dann unter Strafe zu stellen, wenn «wenn ein nationales Gericht dieses Mitgliedstaats und/oder ein internationales Gericht sie endgültig festgestellt haben oder wenn ausschließlich ein internationales Gericht sie endgültig festgestellt hat.» Von dieser Möglichkeit macht die Änderung von § 130 des deutschen StGB nun keinen Gebrauch.
Der Amtsrichter als Völkerrechtsexperte
Hier wird problematisch, was nach dem Rahmenbeschluss und der Rüge der EU-Kommission über dessen Nichtumsetzung nicht hätte problematisch werden müssen. Kommt es zu einem Verfahren nach dem neuen Absatz 5 des § 130 StGB muss ein Richter nun nicht nur feststellen, ob der Angeklagte einen bestimmten Vorgang öffentlich geleugnet oder gröblich verharmlost hat, sondern auch, ob dieser Vorgang stattgefunden hat und eine Straftat gemäss §§ 6-12 des Völkerstrafgesetzbuches war. Der Vorgang selbst kann dabei weit in der Vergangenheit liegen oder sich im Ausland abgespielt haben oder Beides. Jedenfalls wird der Richter diese Feststellung treffen müssen, ohne selbst Beweise würdigen zu können. Vermutlich wird er sie danach treffen was er aus den Medien erfahren hat, die vielleicht sogar noch darauf hingewiesen hatten, dass die Behauptungen der kriegsführenden Seiten nicht überprüfbar waren.
Nun gilt in dubio pro reo (im Zweifelsfall zugunsten des Angeklagten) und die Leugnung oder Verharmlosung ist nur dann strafbar, wenn sie «geeignet ist, zu Hass oder Gewalt… aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören». Insofern könnte zum Beispiel kein Journalist oder Historiker für die gröbliche Verharmlosung des Einsatzes des Entlaubungsmittels Agent Orange durch die USA in Vietnam verurteilt werden (Kriegsverbrechen nach § 11 Absatz 3 Völkerstrafgesetzbuch). Der Tatbestand der Aufstachelung zu Hass oder Gewalt wäre dabei nicht gegeben. Die Grenzen können aber in anderen Fällen auch fließend sein, womit ich meine, dass sie sich je nach dem Erhitzungszustand der Gesellschaft verändern. Der Grundsatz in dubio pro reo ist nicht immer befolgt worden, wenigstens nicht in unteren Instanzen. Es geht hier um mögliche Freiheitsstrafen und um mögliche Verfahren über mehrere Instanzen, die viel Zeit und zunächst einmal auch Geld kosten. Was dabei herauskommen wird, ist absehbar: Im Zweifelsfall werden viele Journalisten und Bürger zu einem schweren Konflikt lieber nichts sagen, was nicht der herrschenden Meinung entspricht.
Billigung, Verharmlosung und Leugnung
Interssant ist nun, mit welcher Begründung die Vertreter der Regierungsparteien im Rechtsausschuss des Bundestags dafür nicht ausgebildete und nicht mit hinreichenden Befugnissen versehene deutsche Richter die Arbeit übertragen wollen, für die eigens ein Internationaler Strafgerichtshof ins Leben gerufen wurde. Die Regierungsvertreter argumentieren, dass die Billigung von entsprechenden Verbrechen bereits durch § 140 StGB unter Strafe gestellt worden sei, ohne dass dort Bezug auf Entscheidungen eines internationalen Gerichts genommen würde. Aus Konsistenzgründen könne man das nun auch bei § 130 nicht tun.
Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Wer ein Verbrechen billigt, räumt damit ein, dass die Tat stattgefunden hat. Das muss also nicht mehr bewiesen werden. Wenn jemand jedoch leugnet, dass ein Verbrechen überhaupt geschehen ist, muss zunächst bewiesen werden, dass es eben doch geschehen ist, ehe man ihn wegen der Leugnung verurteilen kann. Es entsteht also keine Inkonsistenz, wenn man die beiden Tatbestände verschieden regelt. Noch deutlicher wird das, wenn man sich überlegt, ob die behauptete Inkonsistenz auch auf umgekehrte Weise bereinigt werden könnte. Die Änderung des StGB betrifft nicht nur § 130, sondern auch § 5 (darauf komme ich zurück). Nichts hätte also dagegen gesprochen, auch § 140 anzupassen. Genau das wollte man aus guten Gründen aber nicht tun. Die Billigung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit soll auch dann unter Strafe stehen, wenn jemand ausdrücklich billigt, dass solche Verbrechen erst noch verübt werden. In diesem Fall kann man aber nicht auf ein Internationales Gericht abstellen. Für unterschiedliche Regelungen in § 130 und § 140 StGB gäbe es also gute Sachgründe. Mit einer nötigen Vermeidung systematische Widersprüche kann hier nicht argumentiert werden.
Den Regierungsvertretern muss übrigens klar gewesen sein, dass es ohnehin Unterschiede zwischen der Anwendung von § 130 und § 140 StGB gibt. Sie haben nämlich nicht versäumt, zusammen mit § 130 StGB auch § 5 StGB zu ändern, in dem es um Auslandsstraftaten mit besonderem Inlandsbezug geht. Der § 5 StGB stellt Verstösse gegen § 130 StGB durch deutsche Staatsbürger oder Personen, deren Lebensgrundlage in Deutschland liegt, auch dann unter Strafe, wenn sie im Ausland begangen wurden, aber «im Inland wahrnehmbar verbreitet oder der inländischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht» wurden. Wem das zu kompliziert klingt: So lange ich noch deutscher Staatsbürger bin, kann ich wegen meines in der Schweiz geschriebenen, in der Schweiz gehosteten, aber auch in Deutschland gelesenen Blogs wegen eines Verstoßes gegen § 130 StGB einschließlich der neuen Bestimmungen verklagt und verurteilt werden. Wegen eines Verstoßes gegen § 140 StGB ist das hingegen nicht möglich.
Das halte ich für absurd. Die Billigung eines Verbrechens (§ 140 StGB) ist abscheulicher als dessen Leugnung oder gröbliche Verharmlosung (§ 130 StGB). Ein Beispiel macht das klar. Wenn Herr Gauland von der AfD behauptet, «Hitler und die Nazis [seien] nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte», so handelt es sich aus meiner Sicht um gröbliche Verharmlosung. Hätte er allerdings gebilligt, was Hitler und die Nazis getan haben, wäre das noch einmal etwas ganz Anderes. Bezüglich der Strafbarkeit im Ausland besteht also eine wirklich störende Differenz zwischen der Handhabung von § 130 und 140 StGB, nur scheint diese die Regierungsvertreter nicht gestört zu haben.
Warum ist das wichtig?
Selbst Medien, die sich in Corona-Zeiten wenig um die Rechtlichkeit des Regierungshandelns gekümmert haben und der sehr selten die Regierung kritisierende Deutschlandfunk, sehen hier ein Problem, obwohl formell alles korrekt gelaufen ist. Das Parlament hatte eine Chance abzustimmen und hat mit großer Mehrheit für die Gesetzesänderung gestimmt. Das Anhängen eines sachfremden Gesetzes an die Abstimmung über ein anderes ist kein guter Stil, aber nicht direkt verboten. Warum scheint hier ein Nerv bloßzuliegen?
Gerade den Journalisten ist bewusst, dass Rechtsunsicherheit ähnliche Effekte entfaltet wie Zensur. Im Prinzip besteht Meinungsfreiheit, aber wenn die öffentliche Äußerung einer Meinung ein Medienunternehmen, einen Journalisten oder einen Wissenschaftler in ein aufwändiges Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang verwickeln kann, werden die meisten Unternehmen und Personen diese öffentliche Äußerung lieber unterlassen. Es kann schon sein, dass die Meinung immer noch straffrei geäußert werden könnte (spätestens das Verfassungsgericht würde das feststellen), es geschieht aber nicht mehr. Aus meiner Sicht und wohl auch aus Sicht vieler Journalisten ist genau das die Absicht hinter der Gesetzesänderung. Die Ansicht der Regierung, was ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, soll nicht mehr in Frage gestellt werden, auch wenn der Sachverhalt noch nie von einem Gericht beurteilt wurde.
Neben dem Vertrauensverlust, den die Regierung durch dieses Vorgehen gerade auch unter gebildeten Leuten erleidet, gibt es noch einen weiteren problematischen Aspekt. Dieser betrifft die Richter, die durch die Gesetzesänderung in eine Rolle gedrängt werden, die den meisten von ihnen nicht behagen dürfte. Wie soll ein deutscher Richter beurteilen können, was zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort im syrischen Bürgerkrieg geschehen ist, wenn doch beide Seiten gegensätzliches behaupten, kein unabhängiger Untersuchungsbericht und kein internationales Gerichtsurteil existieren? Wie ist das bezüglich der Geschehnisse in Butscha? Ein Richter könnte nach in dubio pro reo vorgehen und den Angeklagten freisprechen, wenn ihm kein Beweis für ein Kriegsverbrechen vorliegt, das der Angeklagte leugnet. Würde sich der Richter damit aber nicht selbst in eine Situation bringen, in der § 130 StGB gegen ihn angewandt werden kann oder die Staatsanwaltschaft ihn wegen Rechtsbeugung verfolgen würde?
Mit der Bundestagsentscheidung vom 20. Oktober wird die Justiz in einer Weise politisiert und die Meinungsfreiheit in einer Weise behindert, die nicht verhältnismäßig sind. Man kann nur hoffen, dass sich eine klagebefugte juristische Person findet, die diese neue Strafnorm vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lässt.
14 Antworten zu “Eine Politisierung der Justiz”
Danke fuer die Information. Haette ich sonst gar nicht mitbekommen.
«Man kann nur hoffen, dass sich eine klagebefugte juristische Person findet, die diese neue Strafnorm vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lässt.»
Ja. Allerdings ist mein Vertrauen ins BVG seit den Urteilen bzgl. Corona-Masznahmen nur noch sehr gering.
Hallo Herr Jeschke,
Sie haben völlig Recht, diese Gesetzesänderung ist so überstürzt vollzogen worden, dass es naheliegend erscheint für welches Ziel die Einschränkung der Meinungsfreiheit verfolgt wird. Ganz offensichtlich soll hier Gegenmeinungen zu der politischen Deutungshoheit über Kriegsverbrechen strafrechtlich entgegengewirkt werden können. Zeitpunkt & Eile des Verfahrens verbinde ich auch mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine. So wie in vorangegangenen Kriegen wissen deutsche Politiker & Medien immer sehr zeitnah wer für dortige Kriegsverbrechen als Schuldige auszumachen sind, was i.d.R. allerdings nur für jene Verbrechen gilt, die sie einer gegnerischen Seite = ihnen nicht genehmen Seite anhaften möchten. Verbrechen ihrer Zöglinge bzw. ‹befreundeten› Seite werden gern übersehen.
Der Fall Butcha wird höchstwahrscheinlich so ein Beispiel darstellen. Die politische wie mediale Deutungshoheit läßt keinen Zweifel an der Täterschaft zu, noch bevor unabhängige Untersuchungen begannen. Die UN-Untersuchungskommission durfte erst 6 Wochen nach dem Auffinden der Leichen in Butcha mit ihren Nachforschungen beginnen. Jeder, der an der Wahrheit interessiert ist, weiß dabei, wie wichtig eine zeitnahe Ermittlung am Tatort ist. In 6 Wochen können zig Spuren verwischt & neue gelegt werden, dafür gibt es Experten.
Es ist völlig absurd, dass ein Richter über den Grad von Verbrechen (Verbrechen gegen Menschlichkeit | Völkermord | Kriegsverbrechen etc.) zu entscheiden hat. Dafür sind erst einmal Kriminalisten, Forensiker & Untersuchungskommissionen auf Expertenebene zuständig. Bei den Haager Prozessen konnte bereits festgestellt werden, dass Richter die gleichen oder ähnliche Vorgänge unterschiedlich bewertet haben, die Politisierung der Justiz konnte dort ebenfalls beobachtet werden.
Ich wünsche mir auch, dass durch eine Klage eine Prüfung durch das BVerfG erfolgt, allerdings hege ich nicht große Hoffnung, dass dieses die zweifelhaften Aspekte einkassiert. Im Worst Case entscheidet das BVerfG im Sinne der übergeordneten Politik.
Bei Eingriffen in die Meinungsfreiheit – und ein solcher Paragraph ist einer – geht es immer um eine rechtliche Regelung des politischen Raums. Wenn es darum geht, den öffentlichen Frieden zu wahren und eine Aufstachelung zu Hass und Gewalt zu verhindern, ist es auch legitim, den Schutz der Gesellschaft und ihrer Mitglieder mit dem hohen Gut der Meinungsfreiheit abzuwägen.
Wenn ich das Vertrauen hätte, dass der Paragraph auch nur in diesem Sinne genutzt wird, wäre es zwar immer noch falsch, einfache Richter über ungeklärte völkerrechtliche Fragen entscheiden zu lassen, aber es wäre hinnehmbar.
Das scheint mir aber nicht wirklich der Zweck dieser Gesetzesänderung zu sein. Wenn es darum ginge, würden die bestehenden Absätze 1 und 2 von § 130 StGB völlig ausreichen. Die Absätze 3 und 4 stellten eine spezifisch deutsche weitere Einschränkung dar, um nationalsozialistische Propaganda schon auf einem tieferen Niveau zu verbieten. Diese Einschränkung gibt es im anglosächsischen Raum nicht.
Der neue Absatz 5 folgt der Logik der Absätze 3 und 4. Wenn der letzte Satzteil («die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören») ernst gemeint wäre, wäre der ganze Absatz überflüssig, denn das decken die Absätze 1 und 2 bereits volkommen ab.
Der neue Absatz ergibt also nur dann Sinn, wen man das «die geeignet ist» viel weiter auslegt, als in den Absätzen 1 und 2. Wo liegt dann die Grenze dieser Auslegung? Hier wird einer Einschränkung der Meinungsfreiheit mit strafrechtlichen Mitteln Tür und Tor geöffnet.
Anstelle der deutschen Regierung hätte ich in der Antwort an die EU-Kommission darauf verwiesen, dass die Absätze 1 und 2 von § 130 StGB die monierten Punkte bereits abdecken und zwar sowohl formell als auch der Intention des Rahmenbeschlusses nach. Die EU-Kommission hätte dann, wenn sie insistiert hätte, vor den EuGH ziehen müssen.
Das sehe ich auch so. Thomas Fischer gibt übrigens Entwarnung:
https://www.spiegel.de/kultur/frank-walter-steinmeiers-reise-in-die-ukraine-stil-und-sicherheit-kolumne-a-60aaea7b-1c12-4960-9af8-79fe8d5089ff
» Die Gruppe oder der Bevölkerungsteil oder die Person, gegen die sich die geleugnete (usw.) Tat richtete, muss eine solche »nach Abs. 1« sein. Und von Absatz 1 sind nach ständiger Rechtsprechung nur Teile der inländischen Bevölkerung umfasst.»
Ich kann das so nicht aus dem Gesetzestext herauslesen _ wir werden sehen.
«Und von Absatz 1 sind nach ständiger Rechtsprechung nur Teile der inländischen Bevölkerung umfasst.»
Zur inländischen Bevölkerung gehören knapp über eine Million ukrainische Flüchtlinge (Stichtag 17. Oktober). Reichlich die Hälfte davon hat bereits Schutzstatus erhalten.
Es gab mindestens einen Vorfall, bei dem der Verdacht eines Hassverbrechens gegen ukrainische Flüchtlinge besteht, also genau das, gegen dessen geistige Vorbereitung sich § 130 StGB richtet.
Man muss jetzt nur noch die Verbindung schaffen: Die Flüchtlinge werden (auch) deshalb angefeindet, weil russische Kriegsverbrechen geleugnet oder verharmlost werden. Das ist nicht so weit hergeholt, dass ich mich auf die Entwarnung von Thomas Fischer verlassen würde, so sehr ich ihn als unabhängig denkenden Juristen und integren Publizisten sonst schätze.
Hallo mymind,
«Im Worst Case entscheidet das BVerfG im Sinne der übergeordneten Politik.»
Das denke ich auch. Andererseits kann da jetzt auch noch mal gegen die deutschen PolitikerInnen geklagt werden, die am voelkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien beteiligt waren – gemaesz § 130 StGB wegen groeblicher Verharmlosung.
Nerazzurra sagt: «Allerdings ist mein Vertrauen ins BVG seit den Urteilen bzgl. Corona-Masznahmen nur noch sehr gering.»
Das geht mir auch so. Man soll sie aber nicht aufgeben. Vielleicht sind sie ja lernfähig.
Thanx.
«Wie ist das bezüglich der Geschehnisse in Butscha?»
Kann man denn da so eine Frage ueberhaupt noch (ungestraft) stellen?
Heute ideale Bedingungen…will nicht weiter nerven.
«Heute ideale Bedingungen…»
In der Tat. Ich musste mir beim Luzern-Halbmarathon ständig den Schweiss aus den Augenwinkeln wischen und dann war auch noch die Fernsicht gut. Herrlicher Blick auf den PIlatus, über den Vierwaldstätter See und auf dem letzten Kilometer auf die Rigi.
Allerdings auch etwas gespenstisch für den 30. Oktober, zumal das Wetter im vorigen Jahr auch schon so war. Mutige haben dieses Wochenende noch im Vierwaldstätter See gebadet und Mütter haben ihre kleinen Kinder nicht davon angehalten, im Uferbereich barfuss im flachen Wasser zu waten.
Die Rechtsunsicherheit, die meist nur auffällt wenn man direkt betroffen ist, erzeugt automatisch ein gewisses Machtgefälle, das aber erwünscht ist. Je schwammiger ein Gesetz formuliert ist, umso größer der Spielraum der späteren Interpretation.
Selbstverständlich sind mit einer Klärung bei Betroffenheit Aufwand und Kosten verbunden. Falls gerade bei ärmeren Zeitgenossen Letzteres nicht gegeben ist, ergibt sich eine Abschreckung die zur Folge hat, daß auch faktisch im Recht befindliche auf ihr Recht verzichten bzw. verzichten müssen.
Man könnte nun vermuten, Recht soll nicht für alle gleich sein. Die Verfassung widerspricht diesem Gedanken, allerdings wäre eine Prüfung wiederum mit Aufwand und Kosten verbunden.
Da eine Präzisierung bei Gesetzen einfach wäre, diese aber unterbleibt, scheint man die Angelegenheit den Gerichten zu überlassen. Diese legen aber die Gesetzgebung – teilweise unverständlich – unterschiedlich aus. Kein befriedigender Zustand und die Frage nach dem «warum» ist längst überfällig.
«Allerdings auch etwas gespenstisch für den 30. Oktober,..°
Ja, es handelt sich dabei um eine Gemeinschaftsarbeit von meinem Tief ueber dem Nordatlantik und Zerb…Zacharias Hoch ueber Osteuropa. Die uebliche NATO/EU- Seilschaft halt (Und nicht der Klimawandel.)
Freut mich, dass es ohne Knochenbrueche oder andere Verletzungen ausgegangen ist.
Knochenbrüche und Verletzungen sind bei Laufveranstaltungen eher selten. Das häufigste Problem ist Kollaps durch Ueberanstrengung. Seit ich 55 bin, laufe ich nicht mehr auf eine bestimmte Zeit hin, die ich mir vorgenommen habe, sondern in einem Pulsbereich, den ich glaube, ohne Ueberanstrengung die ganze Zeit durchhalten zu können (sorry, off-topic).
Danke fuer den Einblick. Das beruhigt doch sehr.
Solange Sie es nicht stoert: Ich habe nichts gegen off-topic.
«Bis zum 31.12.2016 verbot § 80 StGB die Vorbereitung eines Angriffskriegs. Seit 1.1.2017 ist dieser Paragraph weggefallen:»
Oh – danke noch fuer die Links.