Die russische Doppelstrategie


Donbass Es gibt ein ernst zu nehmendes Risiko, dass die ukrainische Verteidigung Im Laufe des Winters zusammenbricht.

Vor etwa vier Monaten, am 10. August 2022, veröffentlichte Interfax-Ukraine ein Interview mit dem Stabschef des ukrainischen Präsidenten, Andrij Jermak. Jermak argumentierte in diesem Interview, dass die Kampfhandlungen vor Wintereinbruch beendet sein müssten. Anderenfalls bestehe das Risiko, dass die russischen Streitkräfte die Infrastruktur zur Erzeugung von Energie und Heizwärme zerstören würden. Mit dem vorigen Satz habe ich mich selbst «plagiiert». Er stammt aus einem Blogbeitrag, den ich am 13. August 2022 in der Freitag Community veröffentlicht habe. Ich habe damals argumentiert, auch der Westen müsse die Risiken für die Ukraine (und sich selbst) im kommenden Winter in Betracht ziehen.

Am 16. August publizierte dann die Washington Post ein Interview mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Darin finden sich die Sätze: «Als die Invasion begann, [waren wir] so stark, wie wir nur sein konnten. Einige unserer Leute gingen weg, aber die meisten blieben hier und kämpften um ihre Heimat. Und so zynisch es auch klingen mag, das sind die Leute, die alles aufgehalten haben. Wenn das im Oktober passiert wäre, – Gott bewahre, während der Heizperiode – gäbe es nichts mehr. Unsere Regierung würde nicht mehr existieren, das ist 100 Prozent sicher.» (Übersetzungen basierend auf DeepL) Auch der ukrainische Präsident war sich also sehr wohl der Risiken bewusst, von denen sein Stabschef geredet hatte. Alle führenden Strategen des Westens waren sich dieser Risiken bewusst, denn sie haben dieses Interview mit Selenskyj gelesen und darüber nachgedacht, ob die Sätze Propaganda waren oder eine solide Basis hatten.

Die ukrainische und die westliche Führung wussten also seit Monaten, dass Angriffe auf die ukrainische Energie- und Heizwärmeinfrastruktur sehr wahrscheinlich sein würden und dass die russische Seite Mittel hatte, dadurch existentielle Probleme zu erzeugen. Die Frage, die sich den Strategen der westlich-ukrainischen Seite Mitte August stellte, war also die folgende: Sollte die Ukraine vor Wintereinbruch einen Waffenstillstand suchen und zu welchem Preis? Falls es keine vor der Öffentlichkeit geheim gehaltenen Verhandlungen mit Russland gab, ist der von Russland geforderte Preis dann aber nicht einmal ausgelotet worden. Die Strategen sind zu dem Schluss gekommen, dass die Ukraine keinen Waffenstillstand suchen solle. Das impliziert die Einschätzung, dass die Ukraine den Winter überstehen würde und in dieser Zeit sogar Kräfte für eine Frühjahrsoffensive würde sammeln können. Wie ich im Weiteren darlegen werde, halte ich diese Einschätzung aus heutiger Sicht für falsch. Dass ich schon im August nicht dazu neigte, geht aus meinem damaligen Blogbeitrag im Freitag hervor.

Die ukrainische Seite – wöchentlich von US-Verteidigungsexperten beraten – hat es nicht nur vermieden, vor Wintereinbruch einen Waffenstillstand zu suchen. Sie hat ihrerseits im September versucht, in die Offensive zu gehen und dabei ab Mitte September gewisse militärische Erfolge erzielt. Russland beantwortete das mit einer hastigen Annexion ukrainischer Gebiete am 30. September 2022, woraufhin Selenskyj ein auf den gleichen Tag datiertes Dekret erließ, das Verhandlungen mit Russland verbietet, solange Putin Präsident ist. Ohne einen Führungswechsel oder einen schweren Gesichtsverlust kann die Ukraine daher in den nächsten Wochen und Monaten keinen Waffenstillstand suchen. Sie muss also einerseits hoffen, dass sie über den ganzen Winter die Bevölkerung wenigstens so weit versorgen kann, dass das Hinterland seinerseits die Front mit Nahrungsmitteln, Treibstoff und Munition beliefern kann. Andererseits muss sie hoffen, dass diese Front über den gesamten Winter dem russischen Druck standhält. Sie kann zurückweichen, Kilometer für Kilometer und Dorf für Dorf wie in den vergangenen vier Wochen, aber es darf nicht zu einem großen Durchbruch kommen, der unter ohnehin schon sehr schwierigen Bedingungen die Moral zerstören würde. Die russische Strategie versucht dementsprechend, die Versorgung der ukrainischen Front zu erschweren, indem sie chaotische Zustände im Hinterland schafft, und einen Frontdurchbruch zu erzielen und diesen dann für eine großräumige Operation auszunutzen.

Das Energieproblem

Den russischen Strategen muss schon lange klar gewesen sein, dass die westlichen Führungen die Wichtigkeit der Energieversorgung unterschätzen. Angesichts der recht dilettantisch betriebenen Umstellung auf erneuerbare Energien, der unrealistischen Zeitvorstellungen für die Ablösung fossiler Energieträger und der daraus folgenden falschen Politik bezüglich langfristiger Lieferverträge war das auch nicht schwer zu erkennen. Auf dieser Erkenntnis fußt einer der Grundpfeiler der russischen Strategie in dem parallel zum Ukraine-Krieg ablaufenden hybriden Krieg mit dem Westen.

Was die Ukraine selbst betrifft, so hatte die russische Seite bereits als Reaktion auf die Niederlage im Raum Kupyansk (6.-12. September) die Energieinfrastruktur der Region Charkiw angegriffen. Zu systematischen landesweiten Angriffen kam es aber erst ab dem 10. Oktober, nach dem ukrainischen Anschlag vom 8. Oktober auf die Kertsch-Brücke, welche Russland mit der Krim verbindet. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Anschlag Russland nur als willkommener Vorwand diente, um eine ohnehin beabsichtigte Eskalation ins Werk zu setzen. Die Zerstörung der Energieinfrastruktur der Ukraine erfolgt derart systematisch und effektiv, dass ihr lange Planungen vorausgegangen sein müssen.

Seither meldet die ukrainische Seite immer wieder, dass sie einen großen Teil der angreifenden Raketen und Drohnen abschieße (das lässt sich nicht gegenrecherchieren) und westliche Medien legen immer wieder nahe, dass Russland bald die Raketen und Drohnen ausgehen werden. Bei Beidem dürfte es sich um Pfeifen im dunklen Walde handeln. Aus russischer Sicht ist bisher jede Angriffswelle erfolgreich gewesen. Es kam immer zu großflächigen Stromausfällen, es gab immer schwere Zerstörungen und es gab auch immer bleibende Zerstörungen. Nach jeder Angriffswelle setzt die ukrainische Seite so viel wie möglich wieder instand, aber nach jeder Welle und Instandsetzung ist die ukrainische Energieinfrastruktur weiter geschwächt. Das schließt nicht aus, dass die ukrainische Luftverteidigung einen Teil oder sogar einen großen Teil der angreifenden Raketen oder Drohnen abschießt. Russland kennt aber die Kapazitäten der ukrainischen Luftverteidigung gut genug, um sie in den Angriffswellen systematisch zu überlasten und Russland hat genug Raketen und Drohnen, um das seit mittlerweile zwei Monaten immer wieder zu tun. Es gibt keine Anzeichen, dass die Effektivität dieser Angriffe abnimmt. Die jüngste Angriffswelle mit Drohnen gegen die Region Odessa hat 1.5 Millionen Menschen von der Energieversorgung abgeschnitten. Die ukrainische Seite rechnet damit, dass die Instandsetzung Wochen, wenn nicht sogar Monate in Anspruch nehmen wird.

Hier liegt kein Versagen der ukrainischen Luftverteidigung vor. Es ist unmöglich, eine Energieinfrastruktur, die aus sehr vielen weit im Land verteilten kritischen Teilstrukturen besteht, wirksam gegen Luftangriffe zu schützen. Dem lässt sich auch nicht abhelfen. Wie viele Luftabwehrsysteme der Westen auch immer liefern würde und wie viele Besatzungen er auch immer ausbilden würde – die Ukraine muss damit rechnen, dass ihre Energieinfrastruktur den ganzen Winter über immer wieder getroffen wird. Die russische Seite scheint nach jeder Welle zu beobachten, wie die Ukraine ihr Energiesystem wieder in einem einigermaßen operativen Zustand versetzt und sie scheint dann die neuralgischen Punkte des neu konfigurierten Systems anzugreifen. Die kälteste Periode des Jahres steht in Kiew noch bevor. In den kommenden drei Monaten sind Temperaturen zu erwarten, bei denen ohne Heizung bereits das bloße Überleben schwierig ist. Die Ukraine hat etwa 70% Stadtbevölkerung, die kritisch von zentral produzierter Heizwärme und von elektrischer Energie abhängt. Die Produktivität wird in allen Sektoren der Wirtschaft drastisch einbrechen, auch in Transport und Logistik. Dadurch wird nicht nur die Versorgungslage einer ohnehin schon frierenden und oft im Dunkeln sitzenden Bevölkerung erschwert. Auch die Kampfkraft der Fronttruppen wird sinken.

Vor dieser Situation sitzen die ukrainische Führung und die westlichen Führungen wie das Kaninchen vor der Schlange. Sie müssten sich bewegen. Die Lage ist nicht haltbar, nicht über den ganzen Winter. Je länger sie glauben, nicht einlenken zu müssen, desto höher wird am Ende der Preis ausfallen.

Die ukrainische Führung betont immer wieder, dass die russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur ein Verbrechen seien. Westliche Medien geben das getreulich wieder. Es ist auch richtig. Aber die Worte ändern nichts an der verzweifelten Lage. Man kann im Recht sein und trotzdem zugrunde gehen.

Die Lage an der Front

Bereits Ende Oktober spekulierten westliche Experten, dass die russische Seite versuchen würde, den Konflikt entlang der aktuellen Frontlinie einzufrieren. Nach der Aufgabe des rechtsufrigen Brückenkopfs mit Cherson durch Russland am 10. November wurde das zu der fast ausschließlich vertretenen Ansicht und auch ein russischer Militärexperte äußerte sich in dieser Weise. Ich selbst hatte bereits am 1. Oktober die russischen Erfolgsaussichten in diesem Krieg als schlecht eingeschätzt, immerhin aber eine russische Großoffensive im Winter nicht völlig ausgeschlossen, wie auch einen wirtschaftlich-politischen Zusammenbruch der Ukraine im Winter nicht. Insgesamt hatte ich solche Szenarien aber als recht unwahrscheinlich betrachtet und eine Niederlage Russlands nach einem langen Krieg, also noch nicht 2023, als wahrscheinlichstes Szenario angenommen. Diese Einschätzung der Wahrscheinlichkeiten möchte ich heute revidieren.

Gegenüber der Situation am 1. Oktober hat sich nicht nur die Infrastruktursituation der Ukraine erheblich verschlechtert. Obwohl sich die Frontlinie seitdem nur wenig verschoben hat, schätze ich die Front inzwischen als instabil ein. Die meisten westlichen Experten waren nach der Aufgabe Chersons durch die russische Seite davon ausgegangen, dass die Kampfhandlungen im Winter weitgehend zum Erliegen kommen würden, weil sie für beide Seiten schwieriger werden würden. Zumindest das hat sich mittlerweile als kapitale Fehleinschätzung erwiesen.

Die ukrainische Seite rätselte bereits während ihrer eigenen Gegenoffensive im Raum Kupyansk, warum Russland die Angriffe auf Bakhmut fortsetzte, statt dort Truppen abzuziehen um die bedrängte Frontlinie weiter nördlich zu stabilisieren. Die ukrainische Seite war auch sehr vorsichtig, als sich die Anzeichen mehrten, dass die russische Seite den Brückenkopf Cherson aufgeben würde. Sie war so vorsichtig, dass die russische Seite ihre Truppen vom rechten Ufer des Dnjepr praktisch verlustlos abziehen konnte, obwohl alle bedeutenden Übergänge bereits zerstört oder zumindest nicht mehr mit schweren Fahrzeugen passierbar waren. Es liegt sogar der Verdacht nahe, dass die ukrainische Seite vor dem Winter keine eigene Offensive in Richtung Cherson gewagt hätte, mit der sie ein Risiko von Häuserkämpfen in der Stadt eingegangen wäre. Zumindest hatte sie auf der anderen Frontseite keine genügend starken Truppen zu stehen. Das musste sie auch nicht, solange es ihr dort nur um Verteidigung ging. Angesichts ihrer prekären Nachschubsituation konnte die russische Seite selbst dort keine Offensive wagen, musste aber umgekehrt eine erhebliche Truppenstärke aufrechterhalten, um sich im Falle eines ukrainischen Angriffs halten zu können.

Hier liegt vermutlich der Grund, warum die russische Seite sich zu dem politisch kostspieligen Rückzug entschloss, obwohl sie sah, dass die ukrainische Seite in nächster Zeit nicht angreifen würde. Nachdem die russischen Truppen den breiten und gut einsehbaren Dnjepr als natürliches Hindernis zwischen sich und die ukrainischen Truppen gebracht hatten, konnten sie ihre Stärke in diesem Frontabschnitt erheblich verringern. Die ukrainische Seite hingegen konnte die Stärke ihrer Truppen nur geringfügig verringern. Dadurch verschoben sich die Kräfteverhältnisse an der Donbass-Front. Zugleich waren etwa sechs Wochen nach der russischen Teilmobilisierung vergangen, die Zeitdauer einer militärischen Grundausbildung.

Die russische Seite hat seither mehrere Dörfer an der Donbass-Front eingenommen und sie hat Bakhmut fast vollständig zerschossen, womit gemeint ist, dass zwar noch viele Häuser stehen, aber fast keine mehr unbeschädigt sind. Ein beschädigtes Haus ist schwer warm zu halten. Mehrere Dörfer klingt nicht nach viel. All das waren aber schwer befestigte Verteidigungsstellungen und diese Dörfer liegen über die gesamte Donbass-Front verteilt. Am 7. oder 8. Dezember gelang der russischen Seite bei Kurdyumivka sogar die Forcierung eines Kanals. Die russische Seite greift seit dem Rückzug aus Cherson nicht mehr nur fokussiert Bakhmut und Andriivka bei Donezk an. Sie führt eine Offensive verteilt über die ganze Frontlinie, was es der ukrainischen Seite verunmöglicht, ihre Verteidigungsanstrengungen zu fokussieren. Die ukrainische Seite, durch den Teilausfall der Energieversorgung gehandicapt, muss Truppen über die gesamte Frontlinie mit Nahrung, Treibstoff und Munition versorgen.

In den ukrainischen und westlichen Medien häufen sich Berichte über hohe russische Verluste bei Bakhmut und über die schweren Zerstörungen in Bakhmut. In der Vergangenheit war dieses Muster der Berichterstattung immer dann zu beobachten, wenn die Aufgabe einer wichtigen Stadt durch die ukrainische Seite kurz bevorstand. Tatsächlich greift die russische Seite Bakhmut inzwischen von drei Seiten an und selbst die auf ukrainischer Seite stehende Informationsplattform militaryland.net geht inzwischen davon aus, dass der Feind wahrscheinlich bald in die Außenbezirke von Bakhmut eindringen wird.

Bakhmut ist als logistisches Zentrum für die ukrainische Seite nicht mehr von Wert. Gleichzeitig sind die ukrainischen Verluste dort sehr hoch. Einen erstaunlichen Einblick gibt ein Interview der Newsweek mit dem Oberst im Ruhestand Andrew Milburn vom U.S. Marine Corps. Milburn leitet das (westliche) Freiwilligenkorps Mozart, das sich als humanitäre Nichtregierungsorganisation bezeichnet und auch eine in den USA eingetragene Wohltätigkeitsorganisation ist, tatsächlich aber ukrainische Soldaten ausbildet. «Sie haben außerordentlich hohe Verluste erlitten», sagte Milburn über die Einheiten, die mit Mozart trainieren. «Die Zahlen, die man in den Medien liest, dass 70 Prozent und mehr Verluste Routine sind, sind nicht übertrieben.» Desweiteren sagt er über ukrainische Rekruten das, was in westlichen Medien gern über die einberufenen russischen Reservisten kolportiert wird, nämlich dass sie ohne hinreichende Ausbildung an die Front geschickt werden. Was Milburn dazu sagt, klingt allerdings viel daramatischer als das, was bei Reservisten möglich wäre. Trotz ihrer «enormen Moral», so Milburn, haben die Verteidiger «ein akutes ‹Regenerationsproblem›, was bedeutet, dass sie so schnell wie möglich neue Rekruten in die Reihen bekommen müssen.» Das bedeutet, dass diejenigen, die in den Kampf geworfen werden, kaum über eine Grundausbildung hinauskommen. «Normalerweise haben etwa 80 Prozent unserer Rekruten, die von der Front kommen, noch nie eine Waffe abgefeuert», sagte Milburn. «Wir haben viel Arbeit vor uns.» Es sind solche Berichte, die mich an der Stabilität der Frontlinie im Donbass zweifeln lassen.

Nun wäre ein Fall von Bakhmut, den ich in den kommenden zwei bis drei Wochen erwarte, für die ukrainische Seite keine Katastrophe. Nach der langen Verteidigung und den hohen Opfern wäre diese erste große Niederlage nach der Wiedererlangung von Cherson zwar ein Dämpfer für die Moral. Es ist aber davon auszugehen, dass die ukrainische Seite über Auffangstellungen westlich von Bakhmut verfügt, an denen sie die Frontlinie wieder stabilisieren kann. Die natürliche Auffanglinie wäre zwar der Kanal gewesen, auf dessen westlicher Seite die Russen einige Kilometer südlich von Bakhmut nun bereits über einen Brückenkopf verfügen. Dieser Kanal ist aber kein so großes HIndernis, dass sich die ukrainische Seite allein darauf verlassen haben wird.

Die Frage ist vielmehr, ob die ukrainische Seite über den ganzen Winter hinweg einen großen Frontdurchbruch verhindern kann, durch den die russische Seite Panzertruppen in freies Gelände verschieben könnte. Wenn das der russischen Armee gelingt, wäre eine Großoffensive nicht mehr auszuschließen, in der sie den gesamten Donbass einnimmt. Russland hat nach einem Bericht des britischen Telegraph die 1. Garde-Panzer-Armee hinter die Frontlinie in der Oblast Luhansk verlegt, was zunächst aus einer Twitter-Meldung eines russischen Militärbloggers an die Öffentlichkeit gelangte. Dieser Armee werden von westlicher Seite hohe Verluste während der ukrainischen Gegenoffensive im Raum Kupyansk nachgesagt. Bilder von einer so hohen Zahl eroberter oder zerstörter Panzer sind allerdings nirgends aufgetaucht. Falls Russland im Winter eine Großoffensive gelingt, wird der Schaden irreparabel sein. Dass die ukrainische Armee nach diesem Winter im Frühjahr zu einer erfolgreichen Gegenoffensive antreten wird, ist angesichts der Lage im Land und der schweren Kämpfe, in die sie derzeit verwickelt ist, nicht zu erwarten.

Wie schätzt das ukrainische Militär die gegenwärtige Lage ein? Das lässt sich einem Artikel der F.A.Z. von heute entnehmen, die dazu den Sprecher der Heeresgruppe Ost (zucken Sie bei diesem Begriff eigentlich auch zusammen?) der ukrainischen Streitkräfte, Serhij Tscherewatyj, zu Wort kommen lässt. Er bemerkt, dass der Feind seine Taktik geändert habe. Anstelle von Angriffen größerer Einheiten würden nun solche kleinerer Gruppen erfolgen, insbesondere durch die Söldnertruppe „Wagner“, die dabei von Rohr- und Raketenartillerie unterstützt werde. „Wir analysieren diese Taktik und finden für jedes militärische Gift ein Gegengift.“ sagt Tscherewatyj. Dieser Satz ist doppeldeutig. Er kann auch bedeuten, dass das Gegengift bisher noch nicht gefunden wurde.

Fazit

Nach dem Rückzug aus Cherson und dem Abschluss der Teilmobilmachung sind die russischen Streitkräfte auch unter winterlichen Bedingungen in der Lage, gleichzeitig Angriffsoperationen an Punkten auszuführen, die über die gesamte Länge der Donbass-Front verteilt sind. Es gelingt ihnen dabei, punktuell stark befestigte Verteidigungsstellungen der ukrainischen Streitkräfte zu überwinden und diesen schwere Verluste zuzufügen. Gleichzeitig sind die russischen Raketentruppen und Luftstreitkräfte nach wie vor in der Lage, schwere Schäden in der ukrainischen Energie- und Heizinfrastruktur anzurichten, die dadurch immer weiter zerstört wird.

Die Einschätzung des Stabschefs des ukrainischen Präsidenten vom 10. August, dass die Kampfhandlungen vor Wintereinbruch abgeschlossen sein müssten, war zutreffend. Die ukrainische und die westliche politische Führung haben aber in der Folge nicht entsprechend dieser Einschätzung gehandelt. Es besteht ein hohes Risiko, dass die Ukraine in diesem Winter einen schweren Zusammenbruch erleidet. Die politischen Folgen wären auch für den Westen schwerwiegend.


25 Antworten zu “Die russische Doppelstrategie”

  1. Ich weiss auch nicht. Eigentlich war heute wunderschönes Wetter. Ich habe auch bei Neuschnee und Sonnenschein einen 15-km-Lauf gemacht, der bis auf die fehlende Fernsicht auf die Alpen perfekt war. Aber so etwas dauert keine zwei Stunden und da bleibt viel Zeit übrig. Vielleicht hätte ich ja wandern gehen sollen, aber dann wäre ich jetzt schneeblind, weil ich keine Sonnenbrillen mag.

    Dafür gibt es nächstes Wochenende nichts (Skiwochenende in Sils Maria).

  2. >> Es besteht ein hohes Risiko, dass die Ukraine in diesem Winter einen schweren Zusammenbruch erleidet. Die politischen Folgen wären auch für den Westen schwerwiegend. <<

    Das würde doch evtl. bedeuten, dass wieder ernsthafte Verhandlungen aufgenommen werden können. Oder glauben Sie, ein Zusammenbruch der Ukraine würde Russland dazu verführen, zu versuchen, die gesamte Ukraine zu besetzen?

  3. Die neueste Tagesmeldung des ukraineseitigen militaryland.net

    «Die Lage in der Gegend von Bakhmut bleibt schwierig, da es den russischen Truppen gelungen ist, in die ersten Gebäude am östlichen Stadtrand einzudringen. Die ukrainischen Streitkräfte sind trotz der jüngsten Verstärkungen nicht in der Lage, die endlosen Wellen russischer Truppen aufzuhalten, und die Luft- und Artillerieüberlegenheit hilft den Russen, weiter vorzurücken.

    Die Anzahl und Intensität der russischen Angriffe an der gesamten Front scheint zuzunehmen, aber die Russen haben bisher keine Wunderwaffe gefunden, um einen größeren Vorstoß zu unternehmen.

    Übersetzt mit http://www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)»

    («Wunderwaffe» ist auch im englischen Original deutsch)

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