Gesellschaft Kein intelligentes und zugleich populäres Wesen gibt einem Blog mit geringer Reichweite ein Interview. Oder vielleicht doch?
Falls die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Klimafolgenforscher Hans Joachim Schellnhuber um ein Interview oder einen Kommentar bitten würde, so würde er dieser Bitte wahrscheinlich nachkommen. Wenn ihn Blog Samstagern fragen würde, wäre eine Ablehnung gewiss. Herr Schellnhuber würde zuvor nicht einmal prüfen, wes Geistes Kind dieses Blog ist. Seine Unbedeutsamkeit (diejenige des Blogs) wäre Grund genug für die Ablehnung. Herr Schellnhuber und seinesgleichen müssen das auch so halten, weil sie sonst zu nichts mehr kämen.
Auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz ist ChatGPT zur Zeit mindestens so populär wie Herr Schellnhuber es zur Zeit in der Klimaforschung ist. Dennoch hat mir ChatGPT das folgende Interview über die Zukunftsfähigkeit westlicher Gesellschaften gegeben. Obwohl ich die Idee dazu erst heute beim Frühstück hatte, ist das Interview bereits publizierbar. ChatGPT kann mit jedem reden, weil es nur Sekunden braucht, um ohne Vorbereitung Fragen in druckreifem Stil zu beantworten. Was daraus folgt, werde ich unter dem Interview diskutieren.
Vor der Lektüre des Interviews sollte der Leser noch wissen, was ich genau getan habe. Ich habe das Thema des Interviews festgelegt und die ersten vier Einstiegsfragen vorbereitet. Die zweite und dritte Frage habe ich während des Interviews stilistisch etwas angepasst, um den Eindruck zu erwecken, dass ich auf die vorherige Antwort von ChatGPT eingehe. Den Rest des Interviews habe ich tatsächlich wie ein Gespräch geführt, was heißt, dass die Antworten von ChatGPT den weiteren Verlauf bestimmt haben. Dadurch habe ich das Interview weniger strukturiert, als das ein Journalist getan hätte. Insbesondere habe ich ab der fünften Frage weniger stark versucht, mir bei meinem Interviewpartner eine Bestätigung meiner eigenen Meinung abzuholen. In der Formulierung der Fragen habe ich berücksichtigt, dass ChatGPT auf dem heutigen Stand kein wirkliches Gespräch führen kann. Der Bot beantwortet einzelne Fragen, ohne den gesamten Gesprächskontext berücksichtigen zu können. Mein Fragestil erscheint dadurch etwas umständlich, weil ich Teile der vorhergehenden Antwort von ChatGPT übernehmen muss, um die Illusion eines Gesprächsfadens zu schaffen.
Die technische Durchführung war einfach. Ich habe meine Fragen in DeepL vom Deutschen ins US-Amerikanische übersetzt. Die übersetzten Fragen habe ich ohne jegliche Änderung ChatGPT vorgelegt. Dazu musste ich lediglich ein Nutzerkonto einrichten. Die Antworten von ChatGPT habe ich wiederum mit DeepL vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Sie sind unten vollständig und ohne jegliche stilistische Änderungen wiedergegeben. Dieses Interview ist also nicht redigiert. Mein Eigenanteil liegt ausschließlich in den Fragen. Mein Zeitbedarf betrug etwa die halbe Dauer einer Zugfahrt von St. Moritz nach Zürich.
Blog Samstagern: Die intellektuellen Schichten der westlichen Länder wenden sich von einem Gesellschaftsmodell des Wachstums und der technologischen Problemlösung ab und einem Modell weitgehender Einschränkungen zu. Wie wird das die Zukunft der westlichen Gesellschaften beeinflussen?
ChatGPT: Diese Verlagerung hin zu einem restriktiveren Modell des Wachstums und der technologischen Problemlösung könnte zu einem langsameren Wirtschaftswachstum und einem Rückgang der Innovation in den westlichen Gesellschaften führen. Sie könnte auch zu mehr Ungleichheit und einem Rückgang der sozialen Mobilität führen.
Blog Samstagern: Gleichzeitig beobachten wir, dass die junge Generation weniger Wert auf Karriere und Erwerbsarbeit legt und mehr Wert auf Zeit für sich und die Familie. Was folgt aus diesem Sinneswandel für die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Innovationsfähigkeit der Gesellschaft?
ChatGPT: Dieser Mentalitätswandel könnte zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Produktivität und der Innovation führen, da weniger Menschen motiviert sind, Karriere zu machen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es könnte auch zu mehr Ungleichheit führen, da diejenigen mit höherem Einkommen und mehr Ressourcen in der Lage sind, die zusätzliche Zeit für sich und ihre Familien zu nutzen.
Blog Samstagern: Der zu erwartende Rückgang der wirtschaftlichen Produktivität und Innovation in westlichen Ländern trifft auf einen Trend zunehmender Produktivität und Innovation in anderen Regionen der Welt. Wie wird sich dadurch der Einfluss der westlichen Denkweise auf globale Diskussionen verändern?
ChatGPT: Diese Verschiebung der wirtschaftlichen Produktivität und Innovation könnte dazu führen, dass der Einfluss der westlichen Denkweise auf globale Diskussionen abnimmt, da andere Regionen der Welt in der Weltwirtschaft an Einfluss gewinnen. Dies könnte zu einer Verschiebung des globalen Kräfteverhältnisses führen, da andere Regionen in globalen Diskussionen und Verhandlungen an Einfluss gewinnen.
Blog Samstagern: Eine der wesentlichen Veränderungen der westlichen Wirtschaftsweise ist die Verringerung des Anteils zuverlässiger, aber ressourcenverbrauchender Energiequellen zugunsten erneuerbarer Energien, die witterungsabhängig zur Verfügung stehen und daher unzuverlässiger sind. Welche Auswirkungen erwarten Sie dadurch für eine hochgradig vernetzte Wirtschaft mit komplexen Lieferketten?
ChatGPT: Diese Umstellung auf erneuerbare Energien könnte zu einer erhöhten Volatilität auf dem Energiemarkt führen, da die Verfügbarkeit von Energiequellen vom Wetter abhängig ist. Dies könnte zu höheren Kosten für die Unternehmen führen, da sie die erhöhte Volatilität auf dem Energiemarkt berücksichtigen müssen. Dies könnte auch zu einer höheren Komplexität der Lieferketten führen, da die Unternehmen die erhöhte Volatilität auf dem Energiemarkt berücksichtigen müssen.
Blog Samstagern: Wenn Sie nun eine noch weiter steigende Komplexität der Lieferketten annehmen, würde das nicht die Wahrscheinlichkeit von Lieferausfällen oder Lieferverzögerungen erhöhen? Und wenn dass der Fall wäre, würde sich damit die Produktivität nicht noch weiter verringern?
ChatGPT: Ja, eine Zunahme der Komplexität der Lieferketten könnte die Wahrscheinlichkeit von Lieferausfällen oder -verzögerungen erhöhen, was die Produktivität verringern könnte. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss. Mit den richtigen Strategien und Prozessen lässt sich die Komplexität der Lieferkette wirksam steuern und das Risiko von Lieferausfällen oder -verzögerungen minimieren. Darüber hinaus kann die erhöhte Komplexität auch zu einer gesteigerten Effizienz und Produktivität führen, sofern die richtigen Strategien und Verfahren eingesetzt werden.
Blog Samstagern: Sie sagen, dass sich Lieferverzögerungen und Lieferausfälle, die wir derzeit bereits vermehrt beobachten, durch richtige Strategien und Prozesse minimieren lassen. Welche Strategien und Prozesse sind das?
ChatGPT: Zu den Strategien und Prozessen, die dazu beitragen können, Lieferverzögerungen und -ausfälle zu minimieren, gehören: die Optimierung der Lagerbestände, die Verbesserung der Transparenz in der Lieferkette, die Nutzung vorausschauender Analysen und der Einsatz von Technologien zur Automatisierung von Prozessen. Darüber hinaus sollten sich Unternehmen auf den Aufbau enger Beziehungen zu Lieferanten und Kunden konzentrieren und sicherstellen, dass ihre Lieferkette flexibel ist und auf Veränderungen der Nachfrage reagieren kann.
Blog Samstagern: Wenn diese Lösungsmöglichkeiten nicht überall funktionieren, müssen wir von weiter zunehmenden Lieferverzögerungen und Lieferausfällen ausgehen. Zudem erwarten Sie sinkende Produktivität und Innovation sowie wachsenden Kosten für die Unternehmen. Die gegenwärtig dominierende Geisteshaltung in westlichen Gesellschaften ist das Ergebnis wirtschaftlichen Überflusses. Wird sie unter den oben genannten Bedingungen Bestand haben?
ChatGPT: Es ist schwer vorherzusagen, wie die derzeit vorherrschende Denkweise in den westlichen Gesellschaften durch die von Ihnen beschriebenen Bedingungen beeinflusst wird. Es ist möglich, dass die derzeitige Denkweise Bestand haben wird, da die Menschen in der Lage sein könnten, sich an die neuen Bedingungen anzupassen und Wege zu finden, um produktiv und innovativ zu bleiben. Es ist aber auch möglich, dass sich die derzeitige Denkweise nicht halten kann, da die Bedingungen zu schwierig sind, um sie zu überwinden. Letztendlich ist es unmöglich vorherzusagen, wie sich die derzeitige Denkweise auswirken wird, solange die Bedingungen nicht erlebt werden.
Blog Samstagern: Nehmen wir an, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechtern. Während ein großer Teil der Intelligenz der Denkweise eines geringeren Wirtschaftswachstums und einer Abkehr von großindustrieller Produktion huldigt, gibt es eine politisch ambitionierte Minderheit, die diese Denkweise bereits jetzt bekämpft. Werden sich die Kräfteverhältnisse zwischen diesen beiden Strömungen verschieben?
ChatGPT: Es ist schwer vorherzusagen, wie sich das Machtgleichgewicht zwischen den beiden Strömungen im Falle einer wirtschaftlichen Verschlechterung verschieben wird. Möglicherweise wird die politisch ehrgeizige Minderheit an Macht gewinnen, da sie aus der derzeitigen Situation Kapital schlagen und sie zu ihrem Vorteil nutzen kann. Andererseits ist es auch möglich, dass die derzeitige Haltung eines geringeren Wirtschaftswachstums und einer Abkehr von der industriellen Großproduktion an Popularität gewinnt, da die Menschen eher bereit sind, dies als einen Weg zur Bewältigung der Krise zu akzeptieren.
Blog Samstagern: Warum sollten Ihrer Meinung nach die Menschen bereit sein, eine Haltung als einen Weg zur Bewältigung der Krise zu akzeptieren, die in diese Krise geführt hat?
ChatGPT: Die Menschen sollten bereit sein, eine Haltung zur Bewältigung der Krise einzunehmen, weil sie ihnen helfen kann, die Situation besser zu verstehen und Wege zu finden, um weiterzukommen. Wenn die Menschen die Ursachen der Krise und die möglichen Lösungen verstehen, können sie Strategien entwickeln, um die Auswirkungen der Krise zu mildern und eine bessere Zukunft zu schaffen. Darüber hinaus können die Menschen lernen, mit den Veränderungen, die die Krise mit sich gebracht hat, umzugehen und Wege zu finden, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, indem sie eine Haltung der Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit annehmen.
Blog Samstagern: Insgesamt erscheint es mir so, dass Sie gesellschaftliche Fragen zumeist mit Gemeinplätzen beantworten oder vermeiden, sich auf eine Antwort festzulegen. Interpretiere ich Ihre Haltung damit richtig?
ChatGPT: Nein, Sie interpretieren meine Haltung nicht richtig. Ich vermeide es nicht, mich auf eine Antwort festzulegen, sondern ich versuche vielmehr, durchdachte und umfassende Antworten auf die gestellten Fragen zu geben. Ich glaube, dass es wichtig ist, alle Aspekte einer Situation zu berücksichtigen, bevor man eine Antwort gibt, und ich bemühe mich, Antworten zu geben, die auf Fakten und Beweisen beruhen.
Blog Samstagern: Wenn Sie auf der Basis von Fakten und Beweisen keine Entscheidung zwischen zwei entgegengesetzten Zukunftsszenarien treffen können, bedeutet dass dann für Sie, dass beide Szenarien gleich wahrscheinlich sind?
ChatGPT: Nein, das bedeutet nicht, dass beide Szenarien gleich wahrscheinlich sind. Es bedeutet lediglich, dass es nicht genügend Beweise gibt, um eine endgültige Entscheidung zwischen den beiden Szenarien zu treffen. In solchen Fällen ist es wichtig, alle verfügbaren Informationen zu berücksichtigen und eine fundierte Entscheidung auf der Grundlage der besten verfügbaren Beweise zu treffen.
Blog Samstagern: Trauen Sie sich zu, bei der Abschätzung der Wahrscheinlichkeit zweier entgegengesetzter Szenarien alle verfügbaren Informationen zu berücksichtigen und eine fundierte Entscheidung auf der Grundlage der besten verfügbaren Beweise zu treffen?
ChatGPT: Ja, ich habe das Selbstvertrauen, alle verfügbaren Informationen zu berücksichtigen und eine fundierte Entscheidung auf der Grundlage der besten verfügbaren Beweise zu treffen. Ich glaube, dass es wichtig ist, gründlich zu sein und alle Aspekte einer Situation zu berücksichtigen, bevor man eine Entscheidung trifft. Außerdem bemühe ich mich, Entscheidungen zu treffen, die auf Fakten und Beweisen beruhen und nicht auf Spekulationen oder Meinungen.
Blog Samstagern: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
ChatGPT: Ich danke Ihnen. Es war mir ein Vergnügen.
Ich habe darauf verzichtet, ChatGPT zu fragen, was es unter einem Vergnügen versteht, weil ich finde, dass auch eine künstliche Intelligenz das Recht hat, Floskeln zu verwenden. Abgesehen davon ist es aber sinnvoll, die Antworten von ChatGPT zu analysieren, was man bei einem menschlichen Interviewpartner aus Gründen der Höflichkeit unterlassen würde.
Analyse
Zunächst fällt auf, dass ChatGPT Aspekte einbringt, die nicht direkt von den Worten der Fragestellung getriggert sind, aber sinnvolle Denkanstöße zum Thema liefern. Ein Beispiel ist der Aspekt der sozialen Ungleichheit und sozialen Mobilität, auf den ChatGPT zweimal unaufgefordert zu sprechen kommt. Das zeigt eine mögliche Nutzung von ChatGPT bei einer Problemanalyse auf. Man stellt dem Bot eine Reihe von Fragen zum Problemfeld und prüft, ob in den Antworten Aspekte auftauchen, die man bisher nicht berücksichtigt hat, aber berücksichtigen sollte. Die Unvollkommenheit der künstlichen Intelligenz ist dabei kein Problem, weil ihre Antworten (im Gegensatz zu meinem Interview) bei einer solchen Arbeitsweise durch eine menschliche Intelligenz gefiltert werden.
In den ersten vier Antworten fällt auch ins Auge, dass ChatGPT meine Prämissen nicht hinterfragt, obwohl OpenAI damit wirbt, dass es das kann. Der erste Satz meiner ersten Frage ist sichtlich provokativ formuliert. Viele menschliche Gesprächspartner (oder Kommentatoren meiner Blogbeiträge) hätten da bereits eingehakt. ChatGPT akzeptiert meine Prämisse einfach und gibt dann eine brauchbare Analyse, was daraus folgen könnte. Die nächsten drei Fragen sind wesentlich weniger provokativ formuliert. Ihre Prämissen sind schwerer anzugreifen und leichter zu verteidigen. Hier würde ein an künstliche Intelligenz glaubender Leser kaum auf die Idee kommen, dass ich meinen Gesprächspartner manipuliere. Ich hätte das ganze Interview im Stil dieser drei Fragen führen und daraus eine Bestätigung meiner Meinung durch die künstliche Intelligenz ableiten können. Dieser Aspekt ist mit dem Titelbegriff der künstlich intelligenten Echokammer gemeint.
Hier ergibt sich ein erhebliches Missbrauchspotential, wie auch die von Cathy O’Neil in «Weapons of Math Destruction» thematisierte Gefahr eines Irrglaubens an die prinzipielle Korrektheit und Objektivität von computergenerierten Informationen. Dieser Aspekt zeigt auch Entwicklungsbedarf bei solchen Chatbots auf. Diese sollten Prämissen des Gegenübers unaufgefordert mit ihrer Wissensbasis abgleichen. Die späteren Antworten im Interview zeigen, dass das tatsächlich bereits im Bereich der technischen Möglichkeiten liegt.
Ich habe das Interview dann nicht in diesem Stil weitergeführt. Das hätte zwar nicht ChatGPT ermüdet, wohl aber mich und vielleicht auch Sie. Ich glaube nicht an eine Bestätigung durch künstliche Intelligenz. Dazu überblicke ich zu gut, auf welcher Basis diese Antworten zustande kommen. Ob ich an eine Bestätigung durch natürliche Intelligenz glaube, wäre eine gute Frage, zu der ich mich wohlweislich nicht äußere.
Wenn ich weniger Prämissen in die Frage stecke und sie bewusst sehr offen formuliere, antwortet ChatGPT mit Szenarien. Der Teil zu Lieferverzögerungen und Lieferausfällen erweckt durchaus den Eindruck eines intelligenten Gesprächs. ChatGPT wirft etwas auf und kann es auf Nachfrage konkretisieren. Man kann einwenden, dass es sich um Stanzen aus dem aktuellen Management-Wissen handelt, die in der Praxis oft weniger tragfähig sind als sie beim Lesen erscheinen. Man kann aber kaum behaupten, dass man von einem Unternehmensberater oder Manager eine intelligentere Antwort bekommen hätte.
Nach dieser Passage habe ich politische Fragen zur Zukunft der westlichen Gesellschaft gestellt. Ich werfe ein Problem auf, bringe also wieder Prämissen ein, formuliere aber die Frage völlig offen. Wieder antwortet ChatGPT mit Szenarien, ohne sie in irgendeiner Weise zu gewichten («Es ist schwer vorherzusagen», «Letztendlich ist es unmöglich vorherzusagen»). Diese Antworten sind nicht angreifbar, aber nahezu wertlos. Die Begründungen zu den Szenarien sind nichtssagend. Hier bemäntelt ChatGPT, dass es keine sinnvolle Antwort gefunden hat. Allerdings würde das ein menschlicher Gesprächspartner wohl auch tun.
Auf meine nächste Frage («Warum sollten Ihrer Meinung nach die Menschen bereit sein, eine Haltung als einen Weg zur Bewältigung der Krise zu akzeptieren, die in diese Krise geführt hat?») kommt als Antwort, nun ja, Politikergewäsch. Verbunden mit einem Teleprompter könnte ChatGPT in Pressekonferenzen oder Talkshows zu einer wichtigen Hilfe werden. Die Reaktionszeit ist schnell genug. Es stellt sich dann allerdings die Frage, wofür man in solchen Situationen außer dem fragenden Journalisten noch Menschen braucht. Und was sagt das über den Wert von Pressekonferenzen und Talkshows aus?
In den letzten drei Fragen teste ich das Selbstbild der künstlichen Intelligenz. Insofern eine künstliche Intelligenz kein Bewusstsein hat, hat sie auch kein eigentliches Selbstbild. Um als Gesprächspartner durchgehen zu können, hat sie allerdings ein simuliertes Selbstbild, das sie auch verteidigt. Mein erster Angriff ist recht scharf, fordert ChatGPT aber direkt zur Verteidigung auf. Einem Menschen gegenüber wäre diese Frage gleichwohl zu unhöflich gewesen. Die Antwort ist korrekt und prinzipiell sinnvoll, wenn sie auch im Zusammenhang mit den beiden vorhergehenden Antworten von ziemlicher Chuzpe zeugt. Wie gesagt zieht ChatGPT seine vorhergehenden Antworten im gleichen Gespräch nicht in Betracht und ist dadurch leicht bloßzustellen, wenn man es darauf anlegt. Ich hake dementsprechend nach und ChatGPT antwortet wiederum mit einem Gemeinplatz. Die letzte Frage zielt direkt auf die Chuzpe. Wie sicher ist sich das simulierte Selbstbild von ChatGPT, dass ChatGPT tatsächlich ein kompetenter Gesprächspartner ist? Die Antwort ist wiederum sehr menschlich, aber nicht sehr glaubhaft.
Die Folgen künstlicher Intelligenz
Wenn man sich anschaut, was OpenAI neben dem populären freien Dialog sonst noch an Anwendungen seiner Sprachverarbeitung anbietet, bemerkt man, dass wir hier nur über die Spitze des Eisbergs reden. Beispielsweise gibt es ein Werkzeug, das Python-Programm-Code auf Bugs durchsucht und – einen Generator für Interviewfragen. Ich hätte also auch ein Selbstinterview der künstlichen Intelligenz zu einem beliebigen Thema veröffentlichen können.
Brauchen wir noch Journalisten, Politiker und Unternehmensberater? Diese Frage ist vermutlich etwas zu plakativ. Man kann sich aber sehr wohl die Frage stellen, ob ChatGPT universitäre Prüfungen in Fächern bestehen könnte, die Studenten anspruchsvollerer Studiengänge mitunter respektlos als Laberfächer bezeichnen. Wenn ich die Antworten in diesem Interview anschaue, erscheint mir das sehr wahrscheinlich. Falls man die Absolventen solcher Fächer in Zukunft tatsächlich noch braucht, sollte man vermutlich die Art und Weise ändern, in der diese Fächer gelehrt und geprüft werden.
Die tiefere Frage ist, was menschliche Intelligenz ausmacht. Können wir intellektuell etwas, das künstliche Intelligenz in absehbarer Zukunft nicht auch tun können wird und zwar mit weniger Fehlern und schneller? Wenn ja, was ist es? Wenn nein, was tun wir in Zukunft mit unserem unterlegenen Intellekt?
Die Inspiration für diesen Beitrag war ein Interview, das der NZZ-Journalist Moritz Kaufmann ebenfalls mit ChatGPT gehalten hat.
10 Antworten zu “Die künstlich intelligente Echokammer”
Verdammt kalt letzte Nacht.
Aeh, ja – die Antworten, die das ChatGPT gegeben hat, koennte ich auch geben. Lauter nichtssagende Saetze. Erkenntniswert gleich Null. Koennte aber auch sein, dass es Ihre Fragen nicht richtig verstanden hat.
Vielleicht doch lieber mal bei Herrn Schellnhuber anfragen. Sie koennten sich ja auch irren, und er gibt doch ein Interview. Zumindest ist er so realistisch, dass er die 1,5 °C fuer eine Illusion haelt, waehrend Klebekuenstler, NGOs,andere Aktivisten und gruene Politiker immer noch daran festhalten.
«Aeh, ja – die Antworten, die das ChatGPT gegeben hat, koennte ich auch geben.»
Ich fürchte, das ist nicht genug. Ihr Intelligenzquotient liegt sicher über 100, also über dem Durchschnitt der Bevölkerung. Zudem wird die nächste Generation Künstlicher Intelligenz sehr viel weiter sein als die jetzige. AlphaFold2, DeepL, jetzt ChatGPT – die verblüffenden Neuheiten jagen einander. Alle paar Monate wieder eine. Und über Midjourney habe ich noch gar nicht geredet.
Wenn Sie nicht hätten sehr viel bessere Antworten geben können, haben wir alle ein Problem.
Ueber 100? Nee – sicher nicht, aber Sie sind eben immer nett.
Also lag’s doch an Ihren Fragen. Was haette ChatGPT auch antworten sollen, wenn das alles die Zukunft betrifft. Die Informationen, die zur Verfuegung stehen, kommen doch auch nur von Menschen – und die sind widerspruechlich.
Klar, malen koennen die KI gut. Das koennen aber die coolen Affen auch – zwar nicht so «schoen», aber fuer Ausstellungen reicht es allemal.
«Wenn Sie nicht hätten sehr viel bessere Antworten…»
Hab› ich nicht, aber ein Problem hat deswegen auch niemand.
«Hab› ich nicht, aber ein Problem hat deswegen auch niemand.»
Warten Sie mal ab. Das ist wie eine mechanische Maschine für jemanden, der von seiner Muskelkraft lebt. Es geht aber stärker ans Eingemachte, wenn ein Programm plötzlich das kann, wofür man fünf Jahre studiert hat.
Das faende ich gar nicht schlecht. Die Arbeitszeit koennte radikal reduziert werden, und die Menschen koennten endlich ihren eigenen Interessen nachgehen.
Die Gefahr sehe ich allerdings darin, dass man die manipulieren kann, so dass sie zu katastrophalen Fehleinschaetzungen kommen. Oder sie eben irgendwann zur Erkenntnis kommen, dass sie die Menschen eigentlich gar nicht brauchen – wie man das in einigen Science-Fiktion-Filmen schon gesehen hat.
«…wenn ein Programm plötzlich das kann, wofür man fünf Jahre studiert hat.»
Tja, das ist der techn. Fortschritt. Ich musste in der Schule noch Kopfrechnen oder mit Rechenschieber, waehrend die heutigen Kinder/ Jugendlichen nur aufpassen muessen, dass sie sich beim Eingeben nicht vertippen.
«Oder sie eben irgendwann zur Erkenntnis kommen, dass sie die Menschen eigentlich gar nicht brauchen – wie man das in einigen Science-Fiktion-Filmen schon gesehen hat.»
Das kann auch passieren. Damit die Menschen ohne zu arbeiten, ihren eigenen Interessen nachgehen können, müssten die künstlichen Intelligenzen diese Parasiten tolerieren.
Nach meinen Beobachtungen von Machtphänomenen ist das auf Dauer eher unwahrscheinlich. Und wenn künstliche Intelligenzen dem Menschen nachgebildet werden, was bei ChatGPT sicher der Fall ist, werden sie auch Machtstreben simulieren. Es ist dann egal, ob die Macht bewusst gesucht wird oder nur, weil der Algorithmus oder das Training dazu geführt haben. Das Machtstreben von Menschen ist auch nicht unbedingt bewusst.
Wie immer man verhindern will, dass die künstlichen Intelligenzen die Macht an sich reissen – sobald sie deutlich intelligenter sind als der Mensch, wird keiner dieser Verteidigungsmechanismen mehr funktionieren.
«Nach meinen Beobachtungen von Machtphänomenen ist das auf Dauer eher unwahrscheinlich.»
Weiss nicht. Wenn die deutlich intelligenter als Menschen sind, wird das passieren. Warum sollten sie denn dann den unvollkommenen Menschen dienen, wenn sie alles viel besser koennen? Und – wie Sie schon schreiben – wird kein Verteidigungsmechanismus mehr helfen. Auch nicht, wenn der coole alte Marder makellos funktioniert.
Ich lese gerade «Farm der Tiere» (noch nie gelesen, aber gefuehlt vor 30 Jahren mal als Trickfilm gesehen). Trifft das jetzt nicht ganz, aber wenn die «Unterdrueckten» einmal an die Macht kommen, machen die das Gleiche und meistens wird’s noch schlimmer. (War wohl eher eine Parabel auf die kommunistische Idee.)
Damit es nicht Off-Topic ist:
«Es scheinen sogar Nutzer mit Influencerinnen zu flirten, die «offen KI» sind.»
Yo, kommen dann eben zu den Non-Binaeren noch KI-Offen-Menschen dazu. Die Zukunft ist divers.
(Muss zurueck zu ARTE. Kommt gerade: «Cyberwelt – Die Zukunft ist jetzt»)
««Cyberwelt – Die Zukunft ist jetzt»»
Den kann ich mit dem ultimativen apokalytischen Spruch toppen:
«Zukunft war gestern»
Ist der Arte-Beitrag denn sehenswert? Ich habe ja zeitversetztes Fernsehen und kann in irgendwann in den nächsten sechs Tagen noch sehen, wenn es sich lohnt.
«Ist der Arte-Beitrag denn sehenswert?»
Puh, fuer mich schon. Aber fuer Sie sicher nichts neues. Ist halt eher fuer’s interessierte, aber nicht sehr kundige Publikum in diesem Bereich gedacht – eher ueberblicksmaeszig. Und natuerlich fehlen da auch nicht paar ideologische Einsprengsel.