Willkommen im Anthropozän


Weltveränderung Das Wachstum der Weltbevölkerung und ihr Zugriff auf immer mächtigere Technologien haben dazu geführt, dass unsere Handlungen die Geosphäre und Biosphäre substantiell verändern – und das auf einem planetarem Maßstab. Die Frage, wie wir darauf reagieren sollten, ist komplexer als die veröffentlichte Meinung wahrhaben will.

Der Mensch erscheint im Holozän

Max Frisch war kein Anhänger der These, dass die Welt rein rational erklärbar sei und dass sich das menschliche Leben als ingenieurtechnische Aufgabe betrachten ließe. In seinem Roman «Homo faber» hat er diese These bereits 1957 unter Rückgriff auf Elemente aus antik-griechischen Tragödien und der Psychoanalyse seziert. 22 Jahre später veröffentlichte Frisch seine Erzählung «Der Mensch erscheint im Holozän». Vordergründig geht es darin um den Kontrollverlust über das eigene Leben durch Alterungsprozesse. Die Handlung spielt sich vor dem Hintergrund einer Naturkatastrophe ab. Tagelange Regenfälle haben Herrn Geiser in einem sonst verlassenen Tessiner Bergdorf von der Außenwelt abgeschnitten. Geiser ist ohnmächtig nicht nur gegenüber seinem eigenen Altern sondern auch gegenüber den Launen der Natur.

Pedanten werden bemerken, dass der Titel dieser Erzählung wissenschaftlich falsch ist. Die Art Homo sapiens entstand vor etwa 300’000 Jahren in der Spätphase des Pleistozäns, einer Abfolge von Eiszeiten und wärmeren Perioden. Der Beginn des Holozän hingegen wird auf die Zeit vor etwa 11’700 Jahren, mit einer erstaunlichen Genauigkeit von ±99 Jahren, datiert. Damals kam es zu einem plötzlichen Temperaturanstieg um etwa 6 Grad, der sich in Eisbohrkernen auf Grönland hat nachweisen lassen. Der Meerespsiegle stieg um 120 m an, weil es zuvor sehr viel Festlandeis gab. Es folgte eine Periode relativ stabiler klimatischer Verhältnisse, die bis vor kurzem andauerte.

Die höhere Wahrheit liegt auf Seiten von Max Frisch. Die stabilen Bedingungen im Holozän ließen den Menschen sesshaft werden. Das erst führte zu dem, was wir heute unter Zivilisation und Hochkultur verstehen. Was mit einer Zivilisation unter erratischen klimatischen Bedingungen geschehen kann, hat Cixin Liu im ersten Band seiner Trisolaris-Trilogie überhöht durchgespielt. Die Trisolarier leben in einem Planetensystem mit drei Sonnen, deren Bewegung weder stabil noch vorhersagbar ist. Perioden extremer Kälte wechseln mit solchen extremer Hitze ab. Nur bisweilen ist das Klimat moderat und dann weiß man nie für wie lange. Die Trisolarier hatten Wege gefunden, ihre Zivilisation für die Zeiten in einen Schlaf zu versetzen, in denen Leben auf ihrem Planeten unmöglich war. Wie sie bis an diesen Punkt kommen konnten, erklärt Liu nicht. Es müsste auch dort eine ungewöhnlich lange Periode mit stabilen klimatischen Bedingungen gegeben haben.

Ein Teil der Wissenschaftler, die sich mit Erdzeitaltern beschäftigen, hat das Ende des Holozäns ausgemacht. Die Idee geht auf Paul Crutzen zurück, der 2002 das Anthropozän ausrief. Crutzen hatte zusammen mit anderen Wissenschaftlern gezeigt, dass Fluorchlokohlenwasserstoffe (FCKW) in höheren Atmosphärenschichten Ozon abbauen. Dafür erhielt er 1995 den Chemie-Nobelpreis. Bereits 1987 hatten sich 24 Staaten und die EU auf ein Verbot der meisten FCKW ab dem 1. Januar 1989 geeinigt. In der Folge erholte sich die Ozonschicht tatsächlich. Zwar ist mittlerweile klar, dass FCKW weder die einzige Ursache für den Ozonabbau in der Atmosphäre sind noch ihr Verbot der einzige Beitrag zur Erholung der Ozonschicht war. Insgesamt darf man aber wohl sagen, dass das FCKW-Verbot eine erfolgreiche Reaktion auf ein menschengemachtes oder vom Menschen verstärktes Problem ist.

Diese Erfahrung bewog Crutzen, ein neues Erdzeitalter zu definieren, das durch den Einfluss der Menschheit (griechisch: anthrōpos) auf Klima, Sedimente und die Biosphäre gekennzeichnet ist. Das Anthropozän, das einige Wissenschaftler ab etwa ab Mitte des 20. Jahrhunderts ansetzen, ist zugleich ein Zeitalter, in dem Menschen sich auf nichts mehr einigen können, nicht einmal darauf, in welchem Zeitalter sie leben.

Erdzeitalter sind historisch sehr viel länger angesetzt worden. Nach üblichen Kriterien leben wir immer noch im Pleistozän. Selbst der Temperaturanstieg um 6 Grad zu Beginn des Holozäns liegt innerhalb der üblichen Schwankungsbreiten des Klimas im Pleistozän. Die Entwicklung der Landwirtschaft in Europa und Asien hat sicher zu einem Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre geführt. Sie dürfte ein Wiederabrutschen in eine Kaltzeit verhindert haben, zu dem es sonst nach dem im Pleistozän üblichen Muster gekommen wäre. Geologisch gesehen, sind die Auswirkungen unseres Tuns auf Atmosphäre, Sedimente und Biosphäre messbar. Sie bewegen sich aber immer noch im Bereich, in dem auch natürliche Schwankungen liegen.

Die Folgen der Renaissance

Ein näherliegendes Beispiel für den Einfluss des Menschen auf das Klima als die Entwicklung der Landwirtschaft findet sich um 1610. Die Kausalkette geht zurück bis auf den Ursprung der Renaissance um 1400 in Norditalien. Damals begann man, sich auf die Errungenschaften der antiken Zivilisationen zurückzubesinnen. Diese waren zuvor mit dem Zusammenbruch des Römischen Reichs zum Teil verlorengegangen. Nun wurde der Mensch als Individuum in Europa zum Maß aller Dinge. Das setzte einen Drang der Begabtesten frei, sich auszuzeichnen, und dabei die Lebensumstände zu verbessern. Das Programm war erfolgreich. Die freigesetzten Kräfte ließen die europäische Zivilisation zur unbestritten weltweit führenden Zivilisation werden. Gleichzeitig ermatteten die zuvor führenden Zivilisationen in China und Indien.

Christoph Columbus stammte aus Genua, das keines der geistigen oder kulturellen Zentren der Frührenaissance war. Bezüglich seines Entdeckergeistes und seiner kühnen Ideen war er allerdings ein Kind dieser Zeit. Aus der Sicht des damaligen Europas entdeckte er am 12. Oktober 1492 Amerika, das er bis zu seinem Tode für Indien vorgelagerte Inseln hielt. Für die bereits in Amerika lebenden Menschen ging das nicht gut aus. Um 1500 lebten in Lateinamerika etwa 35-40 Millionen Menschen. Um 1600 waren es noch etwa 4-6 Millionen. Die Natur erorberte sich 55 Millionen Hektar bisheriger landwirtschaftlicher Nutzfläche zurück. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre nahm dadurch abrupt ab. Bis 1610 sank die globale Durchschnittstemperatur hauptsächlich deshalb um 0.15 Grad. Schon vor dem Beginn der Industrialisierung begann sie wieder zu steigen. Betrachtet man die besten bekannten Daten für die letzten 1300 Jahre, so ist die Geschwindigkeit des jetzigen Anstiegs lange nicht so dramatisch wie die veröffentlichte Meinung behauptet. Der dramatische Eindruck entsteht nur dann, wenn man einen kürzeren Zeitraum betrachtet.

Haltet die Welt an!

Ob man das Anthropozän als neues geologisches Zeitalter betrachtet sollte, interessiert mich wenig. Ich neige eher der Meinung zu, dass es dafür keine hinreichenden Gründe gibt. Den Begriff an sich halte ich jedoch für nützlich. Obwohl es zutrifft, dass die Entwicklung der Menschheit auch vor dem 20. Jahrhundert bereits Auswirkungen auf das Klima, das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten und Ablagerungen in der Erdkruste hatte, sind diese Auswirkungen jetzt ungleich stärker.

Die Hauptursache dafür ist das starke Wachstum der Erdbevölkerung. Eine zweite Ursache ist der wachsende Verbrauch von Ressourcen pro Kopf kombiniert mit einer wachsenden Menge von Abfällen und Emissionen. Nach gegenwärtigen Modellrechnungen müssen wir mit einem Temperatursprung rechnen, der innerhalb eines Jahrhunderts etwa 50-75% des Temperatursprungs zu Beginn des Holozäns ausmachen wird. Der Anstieg des Meerespiegels wird prozentual deutlich geringer ausfallen als damals, weil es mittlerweile viel weniger Festlandeis gibt, das abschmelzen könnte. Zudem scheinen wir ein Artensterben zu verursachen, das um ein Vielfaches (20-50) schneller ist als das natürliche Verschwinden von Arten. Insgesamt könnte es ein Ausmaß erreichen, wie man es bei früheren Artensterben in der Erdgeschichte beobachten kann. Beide Prozesse werden voraussichtlich ab etwa Mitte des 21. jahrhunderts abflachen, weil das Bevölkerungswachstum zum Erliegen kommt. Zudem hat der Verbrauch gewisser Ressourcen eine natürliche Grenze, weil diese Ressourcen endlich sind.

Vielen Leuten – zuallererst der politischen Klasse und den meisten Akademikern – ist der menschliche Einfluss auf die Umwelt ein Dorn im Auge. Eine Klimaerwärmung sehen sie als unbedingt negativ an. Im Widerspruch dazu definiert die Wissenschaft das «Klimaoptimum» im Holozän als den Zeitpunkt mit der höchsten Temperatur.

Auch das Artensterben wird allgemein nur unter dem Aspekt des Verlusts bestehender Arten gesehen, nicht unter dem Aspekt des Freiwerdens von ökologischen Nischen für zukünftige, neue Arten. Letzteres ist zwar verständlich, wenn man die mittlere Lebensdauer eines Menschen zum Maßstab macht, nicht aber auf erdhistorischen Zeitskalen. Die Entwicklung des Lebens auf der Erde und seine Ausdifferenzierung sind durch Perioden des Artensterbens und des nachfolgenden Füllens freigewordener Nischen durch «modernere» Arten gekennzeichnet. Die Säugetiere haben viele Nischen besetzt, die vorher die Saurier innehatten. Dieser Prozess ist nicht per se gut oder schlecht.

Diejenigen, die sich im Anthropozän unwohl fühlen, denen – psychologisch gesehen – die Veränderungen zu schnell gehen, möchten gern, dass der Augenblick verweilt. Sie sehen den gegenwärtigen Zustand der Umwelt als eine Zustand an, der konserviert werden muss. Noch eher möchten sie sogar denjenigen vor Beginn der Industrialisierung zurück. Das ist der Glaube, welcher der Nachhaltigkeits-Bewegung zugrunde liegt. Er ist eine subjektive Wertsetzung. Andere Leute können genauso legitim zu anderen subjektiven Wertsetzungen kommen.

Was das Klima betrifft, so zeigen die Daten der letzten 1300 Jahre, dass der Zustand gar nicht definierbar ist, den man festhalten will. Ist es der Tiefpunkt der Kälteperiode vor der Renaissance um 1375? Der Höhepunkt um 1000 n.Chr.? Die Mitte der «kleinen Eiszeit» um 1610?

Betrachtet man die Sache etwas rationaler – auf den Einwand von Frisch gegen eine solche Betrachtung komme ich später zu sprechen – zählen zwei Dinge. Verändern wir die Umwelt schneller, als wir uns diesen Veränderungen anpassen können? Ist die Richtung der Veränderung für uns von Vorteil oder von Nachteil?

Mit der Formulierung dieser Fragen stehe ich immer noch auf dem Boden des Renaissance-Humanismus, dass der Mensch das Maß aller Dinge sei. Es gibt geistige Strömungen, die diese Haltung als Spezieismus bezeichnen, der zu bekämpfen sei. Da alle anderen Lebensarten aus evolutionären Gründen selbst zum Spezieismus neigen und das nicht zu ändern ist, halte ich es für notwendig, dass wir zum Selbtsschutz ebenfalls Spezieismus betreiben. Sonst sind wir es, die aussterben werden. Antibiotika sind eine gute Erfindung.

Was die Richtung von Veränderungen angeht, habe ich eine differenziertere Meinung. Das Artensterben ist für die Menschheit kurz- und mittelfristig von Nachteil. Es ist nicht klar, was die langfristigen Folgen sind. Auch die Verschmutzung der Weltmeere zum Beispiel durch Mikroplastik hat keinerlei Vorteile. Sie hat jedoch messbare Nachteile – wenn letztere auch deutlich weniger dramatisch für Menschen sind, als alarmistische Medienberichte uns glauben machen wollen.

Beim Klimawandel sieht die Sache anders aus. Alle Evidenz aus der Erdgeschichte und alle Plausibilitätserwägungen deuten darauf hin, dass unser Planet bei jeder denkbaren menschengemachten Klimaerwärmung im Mittel mehr Biomasse erzeugen wird als jetzt. Es wird um so mehr sein, je stärker diese Klimaerwärmung ausfallen wird. Sofern Wasser und andere Nährstoffe ausreichend vorhanden sind – was man in der Landwirtschaft in vielen Gebieten erreichen kann – führt auch ein höherer CO2-Gehalt der Atmosphäre zu höherer Biomasseproduktion durch Kohlendioxid-Düngung. Eine höhere Biomasseproduktion auf diesem Planeten ist zum Vorteil der Menschheit.

Was die Anpassungsfähigkeit angeht, so sehe ich in keiner mir bekannten Modellrechnung Probleme, die auf dem heutigen Technologieniveau unüberwindbar wären. Ob Anpassung an den Klimawandel oder dessen Vermeidung kostengünstiger ist, lässt sich derzeit nicht seriös abschätzen. Wir werden unten sehen, dass diese Frage müßig ist.

Anthropozän ohne Anthropologie

Die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt und das Klima sind weiterhin ein wichtiges politisches Thema, auch wenn anderen Themen demgegenüber in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen haben. Mindestens unter Akademikern spielt dieses Thema noch eine wichtige Rolle. Sie gehören mit überwältigender Mehrheit der «Haltet-die-Welt-an!»-Fraktion an.

Nehmen wir also einmal an, es wäre wünschenswert, den Einfluss der Menschheit auf die Umwelt zu minimieren. Dazu sind neue Technologien nötig, weil die wenigsten Menschen freiwillig auf etwas verzichten, schon gar nicht auf sehr vieles.

Neben neuen Technologien würde eine Minimierung des Einflusses der Menschheit auf die Umwelt entsprechende politische Entscheidungen erfordern. Es ist möglich, ab und zu mal eine politische Entscheidung zu treffen, die von der Bevölkerungsmehrheit zu diesem Zeitpunkt nicht akzeptiert wird. Nicht möglich ist es hingegen, in einem kurzen Zeitraum viele solcher Entscheidungen zu treffen. Ebensowenig is es möglich, lange an Entscheidungen festzuhalten, die das Leben der Bevölkerung stark berühren und auf Dauer keine Akzeptanz der Mehrheit finden. Wer so führen würde, verlöre irgendwann die Macht, unabhängig vom politischen System.

Wenn dem so ist, dann erfordert politische Führung nicht nur ein Wissen oder eine Meinung, wohin man gehen will. Sie erfordert auch ein Bild von den Menschen, die einem dorthin folgen müssen. Mit anderen Worten benötigt man nicht in erster LInie eine Politikwissenschaft sondern eine Wissenschaft vom Menschen, eine Anthropologie. Diese Wissenschaft gibt es auch noch. Sie beeinflusst den politischen Prozess in westlichen Gesellschaften aber nicht wesentlich.

Jede politische Richtung, auch die «Haltet-die-Welt-an!»-Fraktion, hat implizit ein Bild vom Menschen. Dieses Bild ist heutzutage zumeist unreflektiert. Den Akteuren ist nicht bewusst, welches Menschenbild sie eigentlich haben. Daher haben sie auch keinerlei Vorstellung, ob dieses Bild den Gegebenheiten in der Mehrheit der Bevölkerung entspricht. Ein unreflektiertes Bild vom Menschen ist in der Regel ein unreflektiertes Selbstbild des Akteurs. Politiker treffen Entscheidungen, als ob alle Menschen so wären oder werden könnten, wie sie selbst gern wären. Das funktioniert nicht auf Dauer.

Eine Institution, die ein reflektiertes Menschbild hat und über etwa zwei Jahrtausende stabil geblieben ist, ist die katholische Kirche. Nach dem Neuen Testament wird bereits der Kirchengründer Petrus, der ursprünglich Fischer war, als «Menschenfischer» dargestellt. Inwieweit das Neue Testament Legende ist, kann dahingestellt bleiben. In dieser Geschichte und in einigen der Briefe von Petrus an die ersten Gemeinden steckt eine höhere Wahrheit. Man muss mit den Menschen arbeiten, die es gibt. Petrus hätte ideologisch den Zölibat für alle vorgezogen. Da die Menschen nun aber einmal Sex wollten, gestand er ihnen die Einehe zu, um den Trieb wenigstens zu kanalisieren. Ja, das steht in in der Bibel.

Eine ausführlichere Diskussion, was die katholische Kirche als ältere geistliche Institution neue Geistesströmungen lehren kann, findet sich in Hermann Hesses «Glasperlenspiel». Die Hauptfigur Josef Knecht weilt darin in diplomatischer Mission für Arkadien im Kloster, wo er eine «Graue Eminenz» der Katholischen Kirche in den Anfangsgründen des Glasperlenspiels unterweist. Die Diskussionen zwischen beiden Figuren sind auch heute lesenswert und relevant.

Der Katholizismus ist deshalb wieder aktuell, weil J. D. Vance seine Politik geistig darin verankert. Vance hat eine reflektierte Anthropologie. Er muss sich deshalb nicht unbedingt politisch durchsetzen. Wer allerdings grundsätzlich anderer Meinung ist als Vance, der hätte besser selbst auch eine reflektierte Anthropologie. Wenn der Gegner mit Rüstung und Schwert auf einem Pferd sitzt, sollte man ihn nicht zu Fuß und mit bloßen Händen angreifen.

Die Anthropologie der katholischen Kirche ist vielschichtig. Einer ihrer Grundsätze, vielleicht der zentrale, findet sich bereits im neuen Testament (Matthäus 26,41). «Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.» Die katholische Kirche hat so lange überdauert, weil sie diesen Umstand akzeptiert. Der katholische Mensch lebt in einem Kreislauf von Sünde, Beichte, Buße und Sünde. Er darf in diesem Kreislauf leben. Die Kirchenführer wissen, dass mit der Sünde zu rechnen ist. Sie wird nie aufhören.

Jedes politische Programm, das davon ausgeht, dass Menschen fortan nicht mehr sündigen werden, ist zum Scheitern verurteilt. Das «Haltet-die-Welt-an!»-Programm ist von dieser Art. Die Bevölkerungsmehrheit neigt nicht zur Askese. Was sage ich? Die Mehrheit der Proponenten des «Haltet-die-Welt-an!»-Programms neigt nicht zur Askese. Die Klimakleber fliegen nach Südostasien oder Mexiko in die Ferien.

Von der Hybris

In «Homo faber» stellt Frisch einen kompetenten Ingenieur vor, der an die Kontrollierbarkeit seines Lebens und der Welt glaubt. Der Text lebt von dem Widerspruch zwischen dem nüchtern-rationalen Ton des Ich-Erzählers Faber und den irrationalen Dingen, die ihm widerfahren, ja, die er teilweise selbst tut.

Fabers Haltung entspricht dem, was viel später als «Machbarkeitswahn» bezeichnet wurde, etwa 1983 von Klaus-Dieter Link in seinen Worten über einen „technizistisch-operationalistischen Machbarkeitswahn in der abendländischen Entwicklung des Naturbegriffs“. Die Nachhaltigen, ja fast alle Ökobewegten, sehen sich selbst als Kritiker des Machbarkeitswahns. Auch das ist unreflektiert. Ihre Annahme, die Menschheit könne ihren eigenen Einfluss auf die Umwelt kontrollieren ist nur eine andere Form von – Machbarkeitswahn.

Das wird deutlich, wenn man die weltweiten Bemühungen um eine Verringerung von CO2-Emissionen mit ihrem Ergebnis vergleicht. Ich finde es erstaunlich, dass man so lange an einer Strategie festhalten und in diese investieren kann, die offensichtlich nicht funktioniert. Die Akteure argumentieren dabei so rational wie Faber. Und sie verhalten sich so irrational wie dieser.

Man kann das auch am deutschen Beispiel verdeutlichen. Politiker argumentieren gern mit dem Rückgang der CO2-Emissionen der deutschen Wirtschaft. Das ist ein Taschenspielertrick. Viele CO2-intensive Produkte, die früher in Deutschland produziert wurden, werden jetzt importiert. Stellt man die richtige Frage nach dem Fußabdruck pro Kopf (sic!), so betrug dieser 2007 nach Herausrechnen der Exporte 11.8 Tonnen CO2-Äquivalente. Im Jahr 2024 betrug er 10.4 Tonnen, darunter übrigens nur knapp 5% aus Strom. Er ist in 17 Jahren um knapp 12% gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Reallohnindex um 10.6%. Rechnet man das Bevölkerungswachstum (durch Einwanderung) ein, so stieg das verfügbare Reallohneinkommen pro Kopf um 8.7%. Das «Klimaziel» liegt bei 1 Tonne CO2-Äquivalenten. Das ist auch bis 2050 völlig unrealistisch. Die demografische Entwicklung Deutschlands dürfte mehr Einsparpotential aufweisen als die technologische und diejenige bei Konsumgewohnheiten.

Bei Deutschland reden wir von einem reichen Land, in dem es,weder 2007 noch 2024 irgendjemandem an irgendetwas dringend Nötigem fehlte. In anderen Teilen der Welt, wo viel mehr Menschen leben, sieht das anders aus. Mit einem Rückgang der weltweiten CO2-Emissionen und mit einer deutlichen Reduzierung der Erderwärmung is nicht realistisch vor dem Erreichen des Maximums der Weltbevölkerung zu rechnen.

Die Frage, ob Anpassung an den Klimawandel oder dessen Vermeidung kostengünstiger wäre, ist deshalb müßig. Vor dieser Wahl stehen wir gar nicht. Der größte Teil der künftigen Erderwärmung entzieht sich dem Einfluss, den wir durch politische Entscheidungen und Verhaltensänderungen einer kleinen gebildeten Schicht in Deutschland und der Schweiz haben. Die Verringerung des Temperaturanstiegs, die wir bestenfalls erreichen können, ist weit kleiner als die Unsicherheit der Vorhersagen.

Daraus folgt, dass wir uns mindestens an die jetzigen mittleren Voraussagen werden anpassen müssen und dass wir gewisse Reserven brauchen, um uns notfalls an die maximale Vorhersage anzupassen. Diese Anpassung erfordert finanzielle und personelle Ressourcen, die wird nicht für andere Dinge verwenden können. Die Alternative ist, die nötigen Anpassungen nicht durchzuführen und mit den dadurch entstehenden Verlusten zu leben. Das wäre mit Sicherheit teurer.

Da aus demografischen Gründen personelle und finanzielle Resourcen in den kommenden Jahren sehr knapp sein werden, müsste auf andere wünschenswerte Projekte verzichtet werden. Das gilt auch für Projekte zur Klimawandelvermeidung, so lange diese nicht über den Zeitraum einiger Jahre selbsttragend sind. Bei dieser Kosten-Nutzen-Rechnung braucht man die Klimaeffekte nicht einmal abzuschätzen, weil sie für jedes solche Projekt viel kleiner sind als die Investitionskosten.

In eigener Sache

Wenn ich hier (und in anderen Blogbeiträgen) für eine rationale Politik argumentiere, dann ist natürlich auch das Machbarkeitswahn und Hybris. Rationale Politik hat es historisch gesehen selten gegebem – und wenn, dann immer nur für einen kurzen Zeitraum. So, wie die gegenwärtigen Prozesse in der Auswahl der politischen Führungspersönlichkeiten ind Deutschland – und eigentlich auch in der Schweiz – sind, ist nicht anzunehmen, dass wir uns in einem solchen Ausnahmezeitraum befinden. Noch werden wir uns in den nächsten Jahren in einem solchen befinden.

Die Anpassung an den Klimawandel und an andere Effekte des Menschen auf die Umwelt wird in gewissem Maße erfolgen, weil die Realität sie erzwingen wird. Sie wird nicht optimal erfolgen, weil menschliche Gesellschaften ihr eigenes Verhalten nicht optimal kontrollieren. Letzteres ist im Wesen des Menschen nicht angelegt. Das hat den evolutionären Erfolg des Menschen nicht behindert.


113 Antworten zu “Willkommen im Anthropozän”

  1. Guter Diskussionsbeitrag! (Ich hoffe , die kommt noch, wenn das Gegenprogramm abgearbeitet ist und weisser Rauch aufsteigt.)

    «Haltet die Welt an» Funktioniert nicht. Weil die Menschen nicht so sind. Klar.

    Aber ich fuerchte Anpassung ist auch nur eine «Haltet die Welt an»-Variante, die bei rationaler Politik laenger funktionieren koennte, aber eben auch nicht ewig und nicht fuer jeden*.

    Weil Klimawandel gab’s schon immer und irgendwann wird’s auch mal wieder eine Eis- oder Heisszeit geben, die den Namen auch verdient. Dann helfen auch die besten Anpassungsmasznahmen nicht mehr. Okay, die Frage muessen wir uns jetzt vielleicht noch nicht stellen. Vermutlich ist die auch sinnlos.

    Nicht sinnlos aber:

    *Mit nicht fuer jeden meine ich: Die Laender, die davon am Meisten betroffen sind, sind ja meines Erachtens ausgerechnet auch noch die Aermsten. Die haben dann zumindest nicht die finanziellen Resourcen, um sich anzupassen.

    Was machen wir denn dann mit den *zig Mio. Menschen auf der Flucht?

    Oder haben wir als reiche Staaten noch genuegend finanzielle und personelle Reserven, um denen direkt im Land zu helfen? Und was ist mit denen, deren Land schon unbewohnbar ist oder in Baelde?

    Oder haben die dann Pech gehabt? Weil: Ist nicht mein Problem?

    Fragen ueber Fragen. (Oder habe ich da den Teufel an die Wand gemalt?)

    • «Dann helfen auch die besten Anpassungsmasznahmen nicht mehr.»

      Die Anpassung heisst dann: Migration

      «Die [ärmsten Länder] haben dann zumindest nicht die finanziellen Resourcen, um sich anzupassen.»

      Nun ja, der grösste Teil der Anpassung ist am Ende Arbeit. Es ist nicht so, dass es diesen Ländern an Arbeitskräften fehlen würde.

      Man sollte sie aber schon finanziell unterstützen. Das zumindest ist deutlich billiger als sie durch Klimawandelvermeidung im grossen Massstab zu schützen – abgesehen davon, dass diese eben nicht stattfinden wird, so viel man darüber auch redet.

      «Oder haben wir als reiche Staaten noch genuegend finanzielle und personelle Reserven, um denen direkt im Land zu helfen?»

      Ja, das wäre die billigste Lösung. Es fehlt an politischem Willen. Es fehlt in akdemischen Kreisen auch an dem Willn, an Anpassungsstrategien statt an Vermeidungsstrategien zu forschen.

      «Oder haben die dann Pech gehabt?»

      Ja.

      «Weil: Ist nicht mein Problem?»

      Das ist ethisch falsch. Aber das ethisch Falsche geschieht oft.

      • «Die Anpassung heisst dann: Migration»

        Yo, aber das ist das Problem. Waeren ja auch nicht alle Facharbeiter. Die Leute laufen jetzt schon Sturm gegen Fluechtlinge. Und es wuerde – ehrlich gesagt (aus bekannten Gruenden) – auch jede Gesellschaft ueberfordern, noch viel mehr aufzunehmen.

        «Oder haben die dann Pech gehabt?»

        Sie sagen es.

        Also halten wir mal fest: Klimarettung funktioniert gar nicht. Und Anpasung, nur fuer die, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind (und nicht wirklich arm).

        «Das ist ethisch falsch.»

        Ja. Und es passiert auch oft, weil das Richtige nicht machbar waere, mit den Menschen, die im Angebot sind (und dass das Angebot nicht besser ist, kann man denen i. Allgem. selber auch nicht vorwerfen.)

        • Zynisch koennte man auch sagen, wg. des Klimawandels (und Artensterbens und Ressourcenknappheit) loest sich dann auch das andere grosse Problem der Ueberbevoelkerung auf natuerliche Weise.

          • «loest sich dann auch das andere grosse Problem der Ueberbevoelkerung auf natuerliche Weise.»

            Sie werden lachen (oder auch nicht). Diese Diskussion hatten wir während meines Studiums mal bezüglich AIDS. Es ist beim Klimawandel noch viel unwahrscheinlicher als bei AIDS, dass er einen substantiellen Einfluss auf die Bevölkerungszahlen hat.

            «Die Leute laufen jetzt schon Sturm gegen Fluechtlinge. Und es wuerde – ehrlich gesagt (aus bekannten Gruenden) – auch jede Gesellschaft ueberfordern, noch viel mehr aufzunehmen.»

            Ja, erhöhte Migration wird zu Gewalt gegen Migranten führen. Was aber nichts daran ändert, dass es keinen Weg gibt, erhöhten Migrationsdruck (aus den verschiedensten Gründen) zu verhindern.

            • «Diese Diskussion hatten wir während meines Studiums mal bezüglich AIDS.»

              Yo, lange war das ja ein Todesurteil. Hatte da auch paar beeindruckende Filme und noch mehr Dokus und Diskussionen gesehen, wie die Aktivisten gegen Stigmatisierung, die Untaetigkeit der Regierungen und um wirksame Medikamente gekaempft haben. Silence = Death.

              Heutzutage kann man in halbwegs funktionierenden Demokratien gut damit leben (wenn man nicht gerade schon ganz unten angekommen ist).

              Und sowieso: Ist wie mit Allem. Die Reichen koenn› sich’s leisten.

              «Was aber nichts daran ändert, dass es keinen Weg gibt, erhöhten Migrationsdruck (aus den verschiedensten Gründen) zu verhindern.»

              Stimmt, man kann nur die Migration in gewissen Maszen beschraenken. Selektieren nach voraussichtlicher Nuetzlichkeit. Am Besten funktioniert’s mit inhumanen Mitteln.

                • Hm, wenn man Kriege nicht fuehrt, die sich von, direkte Hilfe aller Art leistet, Schulden erlaesst, die sich von selbst demokratisieren… Allgemein, wenn sich die Lebensbedingungen und die Menschenrechte (!) in diesen Laendern verbessern…kommen zumindest weniger.

                  Aber das funktioniert ja auch nicht. Okay, Sie haben recht.

                  Wie sieht es denn mit Fluechtlingen aus dem Musterlaendle China aus? Sind nicht viele (weltweit) – oder?

          • «…loest sich dann auch das andere grosse Problem der Ueberbevoelkerung auf natuerliche Weise.»
            Das kann man theoretisch berechnen. Praktisch werden meistens einige Randbedingungen vergessen.

        • „Klimarettung funktioniert gar nicht.“
          Versuche, den menschlichen Anteil am Klimawandel zu reduzieren halte ich nicht für falsch, zumal das teilweise auch mit einer Verbesserung der Atemluftqualität verbunden ist. Nur ist das eben nicht die Mutter aller Lösungen, sondern ein Teilaspekt. Hinter dem Anpreisen einer Einzellösung als einzige Lösung für ein komplexes Problem steckt oft eine Marketingstrategie.
          Das kommt bei Menschen, die in unkomplex-linearem Denken konditioniert(oder sanfter gesagt sozialisiert) sind gut an.

          • «zumal das teilweise auch mit einer Verbesserung der Atemluftqualität verbunden ist»

            Paradoxerweise scheint das andersherum zu sein. Die Luftreinhaltung führt zu weniger Staub und Aerosolen in der Atmosphäre – was den Klimawandel beschleunigt.

            • «Die Luftreinhaltung führt zu weniger Staub und Aerosolen in der Atmosphäre».
              Ja Luftreinhaltung und «Klimaschutz» sind Anatgonsisten, owohl sich deren Massnahmen teilweise teilweise überschneiden können. Allerdings könnte eine konsequete Verlagerung von Verkeht und Transport auf Schienen soweit machbar (ohne Kapitallobbyeinflüsse) Flächen zur Begrünung freisetzen. Man sollte sich in dem Zusammenhang auch mit der Frage beschäftigen, ob eine Zunahme der Bevölkerungsdichte in Mitteleuropa wünschenswert ist. Ich denke, eine allmähliche Abnahme wie in Japan könnte Vorteile haben.

              • «Man sollte sich in dem Zusammenhang auch mit der Frage beschäftigen, ob eine Zunahme der Bevölkerungsdichte in Mitteleuropa wünschenswert ist. Ich denke, eine allmähliche Abnahme wie in Japan könnte Vorteile haben.»

                Ohne Migration oder bei geringer Migration geschieht das von ganz allein.

                Der Klimawandel wird am Ende durch den Rückgang der Weltbevölkerung zum Erliegen können. Das Bevölkerungsmaximum ist auf etwa 2050 prognostiziert. Zusammen mit der ganz normalen Technologieentwicklung und der Verknappung bzw. Verteuerung fossiler Rohstoffe wird es auch ohne Aktivismus nicht so warm werden, wie einst im Tertiär.

                Dem Aussterben einiger an Kälte angepasster Arten wird (langsamer) die Entwicklung einer grösseren Artenvielfalt folgen, weil sich die Bedingungen für Leben auf der Erde im Mittel verbessern werden. Und Gebäude im Sommer (bei Energieüberschuss) zu klimatisieren, ist allemal günstiger als sie im Winter (bei Energiemangel) zu heizen.

  2. Während der industriellen Revolution sind Millionen Europäer ausgewandert. Waren Migranten. Trotz Kapitalismus.
    Der scheint nicht sehr vielen zugute gekommen zu sein. Diese Migranten haben sich Platz geschaffen indem sie mordeten.
    Die Nachfahren beschweren sich nun über Migranten.
    Lebten die US Ureinwohner ohne Kapitalismus besser oder haben sie profitiert? Haben die brasilianischen Indios den Urwald gerodet oder kapitalistisch Denkende?
    Wo sind die südamerikanischen Ureinwohner?
    Gab es in China kapitalistischen Fortschritt durch das englische Königreich?
    Besaßen die schwarzen Südafrikaner das Land?
    Wer fischt am Horn von Afrika den einheimischen Fischern das Meer leer?
    Alle sind sicher froh, daß wir ihnen Handys liefern. Sie bauen ja selbst keine.

      • War es nicht Land der Inkas?
        Oder der Nordamerikanischen Ureinwohner?
        Waren die z.B. Spanier Nachbarn oder wurden sie provoziert?
        Brauchten die Eroberer Land?
        Wurden sie wie andere Kriegsgegner in Europa behandelt?
        Waren sie jemals in europäische Kriege verwickelt? Gab es Feindschaften mit europäischen Staaten?

    • «Während der industriellen Revolution sind Millionen Europäer ausgewandert. Waren Migranten. Trotz Kapitalismus.»
      Oder, wie zum Beispiel verarmte Handwerker, wegen Kapitalismus.

      • «Oder, wie zum Beispiel verarmte Handwerker, wegen Kapitalismus.»

        Trifft nun Gebrauchsgrafiker, Synchronsprecher, Uebersetzer, Rechtsgehilfen usw.

        Wie damals nicht wegen Kapitalismus, sondern wegen Technologieentwicklung (diesmal KI).

        Man könnte natürlich auch immer noch durch Drehen eines Stöckchens Feuer machen und sich Felle umhängen. Oder, wenn man wirklich konsequent ist, auch auf Feuer und Felle verzichten und nur in Gegenden leben, wo man auch ohne das auskommt.

        (die Leute, die das mit dem Stöckchendrehen besonders gut konnten, waren bestimmt frustriert, als jemand mit einem Feuerstein ankam)

        • @izi
          >>>mich haben aber auch zwei Rennradfahrer und eine Rennradfahrerin überholt – ohne ersichtlichen Motor<<<
          Ja, dass war sicher der "Vivax Assist".

          https://www.radfahren.de/story/vivax-assist-woergl/

          "2012 brachten sie ein komplett neues, selbst entwickeltes Antriebssystem auf den Markt. Und änderten im Rahmen des Produktrelaunchs auch gleich ihren Markennamen. So ist aus „Gruber Assist“ „Vivax Assist“ geworden. Den Steinbock haben sie als Logo beibehalten".

          Habe ich mir in mein normales Rad einbauen lassen, ich glaube 2013. Hat damals 2600 Euro gekostet.
          Auf alle Fälle sieht man von außen nichts, es sei denn, man weiß es, weil ein Knopf zum Einschalten am Lenker ist, und die Batterie entweder in der Satteltasche oder in einer Trinkflasche versteckt ist, und natürlich sind da auch Kabel sichtbar.

              • Es soll schon passiert sein. Die wurden natürlich, wie beim Pharmadoping, nach der Entdeckung aus dem Verkehr gezogen. Aber es gibt wohl keinen Betrug der nicht versucht wird.

                • Beim Pharmadoping bin ich eher skeptisch. Es werden ja immer wieder neue Wirkstoffe entwickelt, die dann noch nicht auf der Dopingliste stehen. Mir fällt es schwer zu glauben, dass die heutige Generation ungedopt schnellere Zeiten an den gleichen Anstiegen fährt als die Generation Armstrong-Ullrich mit Epo und bei Armstrong auch mit Testosteron. So viel dürfte bei der Trainingsmethodik nicht mehr dringelegen haben.

                  • Man könnte die Prüferei auch bleiben lassen. Dann würde eben gewinnen wer sich die meisten und/oder höchstwirksamen Steroide einpfeift. Eine mögliche Folge ist Fortpflanzungsunfähigkeit. Damit fände eine «natürliche Auslese» statt.

                    • «Dann hat die Apothekenrundschau sicher einen eigenen Rennstall.»

                      Das ist nicht mal ein Witz. 1983 hat ein Team der kalifornischen Firma Amgen das Gen für Erythropoietin entdeckt, ein Cytokin, das von den Nieren bei Sauerstoffmangel in Zellen ausgeschüttet wird und die Bildung roter Blutkörperchen stimuliert. Amgen hat auf dieser Basis Erythropoetin in Zellkulturen herstellen können und 1989 dafür unter dem Namen Epogen in den USA eine Pharmazulassung erhalten.

                      Unter Ausdauersportlern war schnell klar, dass mehr rote Blutkörperchen ein höheres VO2max und damit mehr Leistung bedeuten. Epo wurde das Dopingmittel der Wahl, besonders unter Radsportlern. Bei hoher Dosierung konnte Epo tödlich sein – das Blut wurde einfach zu dickflüssig. Selbst Amateurradsportler dopten mit Epo, was im Gegensatz zu den paar Profis ein interessantes Marktsegment war.

                      Von 2006 bis 2019 gab es die «Amgen Tour of California», eine von dieser Pharmafirma gesponserte Radrundfahrt. Sie wurde unter Eingeweihten auch als «Epo Tour of California» bezeichnet. Die letzte Ausgabe 2019 hat ein gewisser Tadej Pogačar gewonnen.

                      Bis 2000 war Epo-Doping prinzipiell nicht nachweisbar, weil das Cytokin auch vom menschlichen Körper produziert wird. Das Protein ist allerdings glykolysiert und darin unterscheidet sich solches aus Zellkultur von demjenigen aus dem Körper. Der Nachweis über diesen Unterschied ist nur relativ kurz nach der Injektion nachweisbar. Die Dopingwirkung hält länger an.

                    • Norweger dopen auch nie. Sie haben nur Asthma.

                      Sagt man so über die Ski-Biathlonsportler von denen.

                    • «Sie haben nur Asthma.»

                      Das war im Radsport auch mal sehr beliebt. Jan Ullrich. Bradley Wiggins. Chris Froome. Fränk Schleck. Miguel Indurain. Alex Zülle. Oscar Pereiro. Igor Gonzales de Galdeano.

                      Alessandro Petacchi und Leonardo Piepoli wurden nur positiv auf ein auf der Doping-Liste aufgeführtes Asthma-Mittel getestet, hatten aber kein Attest.

            • @Albatros
              Mittlerweile gibt es schon einen Wiki Eintrag dazu:
              https://de.wikipedia.org/wiki/Sattelrohrantrieb
              «Beim serienmäßig verfügbaren Antrieb der Marke Vivax-Assist sind das einem bürstenlosen Gleichstrommotor nachgeschaltete Untersetzungsgetriebe, ein Freilauf und die Leiterplatte mit der Motor-Steuerung ebenfalls im Sattelrohr beziehungsweise der Sattelstütze untergebracht. Dabei bleibt die technische Substanz des verwendeten Fahrrades bis auf einige kleinere Maßnahmen weitgehend unangetastet. Der relativ klein dimensionierte Lithium-Ionen-Akkumulator wird beispielsweise unter den Sattel gehängt oder in den Flaschenhalter gesteckt.[1][2] Dieser Antrieb unterstützt den Radfahrer mit effektiv bis zu 200 Watt. Er wird bedarfsweise mit Hilfe eines Tastschalters zugeschaltet. Der komplette Elektroantrieb wiegt inkl. Akku nur 1,8 kg und kann auch in viele bestehende Fahrräder mit Diamantrahmen nachgerüstet werden. Voraussetzung dafür ist unter anderem ein Sattelrohrinnendurchmesser von mindestens 30,9 mm und ein Shimano-Hollowtech II-Innenlager.»
              Dummerweise hat es aber die Firma fertig gebracht, 2022 während Corona als eigentlich der EBike Markt boomte pleitezugehen…

              • Danke für die Info, auch an gelse.
                War mir völlig unbekannt.

                An einem älteren Rad habe ich einmal, und nie wieder, eine mechanische Vorrichtung gesehen, die die Länge des Pedals in horizontaler Stellung stark verlängert. Dadurch soll die Hebelwirkung verbessert werden. Steht das Pedal vertikal, wird das Pedal wegen der Bodenfreiheit und der Beine des Fahrers verkürzt.
                Ob das etwas bringt?
                Der Fuß beschreibt ja keine Kreisbewegung mehr, sondern eine Ellipse. Das könnte den Effekt zunichte machen.
                Immerhin war die einfache Technik interessant.
                Hätte ich fast gekauft, um die Vorrichtung zu testen. Habe mich dann aber für eine Trommelbremse entschieden. Diese hat sich bewährt.

                • @Albatros
                  Ja, das mit der Pedalverlängerung habe ich auch mal auf einem tube Video gesehen.
                  Der ist auch damit gefahren…
                  >>>Habe mich dann aber für eine Trommelbremse entschieden. Diese hat sich bewährt.<<<
                  Trommelbremse? Oder meinen Sie eher Rollenbremse?

                    • «Hatte keine Lust mehr auf eine Felgenbremse.»

                      Ich bin sonst kein Pionier bei neuen Technologien, aber ich war einer der ersten mit Scheibenbremsen am Rad (sowohl Reiserad als dann auch Rennrad). Die Felgenbremse ist schlechter dosierbar und bei Nässe in den Bergen nehmen die Bremsgummis mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit ab.

                    • Scheibenbremse ist auch gut.
                      Die Trommel hat mich technisch interessiert.
                      Fast schon niedlich gegenüber einer bei PKW.
                      Meine Gründe waren wie bei Ihnen. Nässe, öfter wechseln, nach jedem Wechsel anderes Bremsverhalten, die Einstellerei.
                      Die Fläche der Beläge bei Trommel ist sehr viel größer. Durch die Kapselung kein Einfluß von Nässe oder Schmutz, hält sehr lange.
                      Vom Gewicht her etwas schwerer als die Felgenbremse.
                      War eines der ersten Räder mit 7-Gang Nabe und Trommel vorn.

                  • Eine Vorderrad-Trommelbremse. Selbstverstärkend.
                    Funktioniert gut. Seit 20 Jahren kein Belagwechsel. Unempfindlich bei Nässe.

                    Trommelbremsen am Auto (hinten) gab es noch weit nach dem Trabbi bei West-Autos.
                    Ob sie aktuell noch bei manchen Fahrzeugen eingebaut wird, weiß ich nicht. Vermute es aber.

              • Bei mir im Haus wohnt ein belgischer passionierter Rennradfahrer und -bastler. Der hat mir mal ein Rad gezeigt, in dem er das eingebaut hatte. Es wurde gemunkelt, das Fabian Cancellara so etwas bei Antritten genutzt haben soll (Flandern-Rundfahrt und Paris–Roubaix 2010), aber es gab nie auch nur die Spur eines Beweises dafür.

          • Nee, nee. Die waren jünger und ausserdem bin ich ein schwereres Reiserad mit einer Packtasche gefahren.

            «Gruber Assist» (oder was Aehnliches) habe ich erstmals am Col d’Izoard gesehen. Ich weiss nicht mehr genau, wann, 2012 oder 2014.

              • «Obwohl,….haben Sie eine Fahrtauswertung in Watt?»

                Nee. Dazu ist meine Sportuhr zu billig. Es heisst, dass man beim VO2 und daher auch bei der Leistung in Watt mit zunehmendem Alter deutlich verliert. Das scheint nach meinen Zeiten bei gleichbleibendem Trainingsumfang über die letzten Jahre auch zuzutreffen.

                • Hingegen scheint mir der Muskulaturverlust zumindest bis zu meinem jetzigen Alter und auf meinem Niveau nur eine Frage des Trainingsumfangs zu sein. Ich messe das, indem ich mit dem gleichen Rad die gleichen Anstiege fahre und beobachte, welche Gänge ich wähle. Das wird nicht merklich schlechter. Auch die Erhöhung meiner zwei morgendlichen Liegestützserien über etwa ein Jahr in drei Schritten von je 25 auf je 35 war problemlos möglich.

                    • Hm, das koenn› mer machen. Ich bestehe aber auf ein «echtes» Fahrrad ohne Elektrogelumpe. Und laufen ohne irgendwelchen Schnickschnack.

                      Frueher hatten die Normalbuerger das auch nich 😉

  3. «Wer immer am 15. Mai 2025 ein Territorium kontrolliert, hat darauf für immer Anspruch.»

    In Deutschland gibt es für so was Katasteramt und das Grundbuch. Ich kenne Leute, die haben seit 1990 nicht mehr für andere gearbeitet und ihr Einkommen 1x pro Jahr überwiesen bekommen.

    Ab und zu fahren sie auch mal den Traktor aus.

    Bei anderen reicht es nur für eine Pizza im Oktober.

  4. Belgien zwischen France und den Unterlanden neben den Deutschlanden macht Atomausstieg rückgängig, will Reaktoren länger laufen lassen – und neue bauen.

    Was planen andere Länder um uns herum?

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